piwik no script img

Agenten gesucht

■ Bremer Verfassungsschutz wirbt per Faltblatt an „Hilfe und Erleichterung“ versprochen

Eine fette Spinne im dichten Netz ist das Signal für all diejenigen unter den polnischen Aussiedlern, die eventuell in ihrem bisherigen Leben in dunkle Spionagetätigkeiten verwickelt waren: Wenden Sie sich vertrauensvoll an uns, suggeriert der Verfassungsschutz hierzulande den NeubürgerInnen aus Polen mit einer Spinne im Netz auf gelbem Faltblatt.

„Schon mancher in Spionage verstrickte Bürger hat durch ein vertrauliches Gespräch mit dem Amt für Verfassungsschutz Hilfe und Erleichterung gefunden“, heißt es vielversprechend in dem Papier, das der Verfassungsschutz im Amt für Aussiedler und Zuwanderer öffentlich auslegt.

Zweisprachig ist seine Aufforderung, so daß der Interessierte sogleich lernen kann: „Kontrwywiadem“ ist das Wort für „Spionageabwehr“, so prangt es dick an exponierter Stelle. Und dick unterstrichen steht da 'daß das Amt für Verfassungsschutz keine Polizeibehörde ist und deshalb nicht verpflichtet sei, „einen Agenten, der sich ihm offenbart hat, den Strafverfolgungsbehörden zu überstellen.“

Beruhigend zu wissen ist außerdem, daß einem ausgesiedelten Agenten laut § 98 Strafgesetzbuch „Straffreiheit oder Strafmilderung“ zugestanden wird. Ausführlich sind die entsprechenden Paragrafen über „Landesverräterische“ oder „Geheimdienstliche“ Agententätigkeit zitiert.

Ob der Aufruf allerdings schon Erfolg hatte, in welcher Auflage er gedruckt wurde und wieviele Aussiedler sich seit Erscheinen des Blattes bei der Spionageabwehr zu ihrem Schnüfflertum bekannten, um jetzt als unbescholtene, unverdächtige und unbehelligte BürgerInnen in unsrer Republik Fuß zu fassen, das war gestern nicht herauszukriegen: Unter der angegebenen Telefonnummer des Verfassungsschutzes in Köln (0221/7920) war von einer solchen Aktion nichts bekannt. Bis zur Pressestelle hatte sich die Existenz des Pamphletes auch noch nicht herumgesprochen: „Vielleicht handelt es sich um eine Aktion von einem der Landesämter?“ mutmaßt Pressesprecher Lange.

Er wisse auch nur von Befragungen einzelner Übersiedler, bei denen Anhaltspunkte für „einen Kontakt“ bestanden. Am Montag wolle er aber gern entsprechende Nachforschungen anstellen. Wir berichten weiter.

ra

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen