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„Mal Italien wär‘ nicht schlecht“

■ Was die Ostberliner Schwarztauscher mit ihren erhandelten Westmark alles machen wollen / Reisewünsche sind bei ihnen die Spitzenreiter / Das schnelle und krumme Straßengeschäft mit der D-Mark betreibt Jung und Alt

„Will'ste Ostmark?“ - „Nee, aber...“ Der junge Anbieter erbleicht, als ich meinen Presseausweis aus der Tasche ziehe: „Oh Gott, ich dachte schon ...“ Der 19jährige Schüler aus Ost-Berlin hat sich gerade „ganz spontan“ entschlossen, beim Schwarztausch mitzumischen. Was er mit dem Westgeld machen will? „Na, mir drüben irgendwas koofen. Was, weiß ich noch gar nicht so genau.“ Da haben die anderen Männer - es sind tatsächlich nur Männer -, die am Bahnhof Friedrichstraße Geld in ihrer Landeswährung feilbieten, schon konkretere Vorstellungen: „Ich will nach Teneriffa. Solche Reisen kriegt man bei euch ja schon für 900 Mark aber eben Westmark.“ Wieviel er schon zusammen hat, will der Mann neben dem Fahrkartenschalter nicht sagen. Überhaupt ist ihm das Ganze ziemlich unangenehm: „Das hat irgendwie fast den Charakter von Betteln. Wenn's ginge, würde ich auch lieber regulär bei der Bank tauschen.„Reisewünsche stehen bei den OstberlinerInnen an erster Stelle. Aber mit den 200 D-Mark, die sie aus dem frisch eingerichteten Devisentopf jährlich umtauschen dürfen, kommen sie nicht weit. „Im Sommer geht's erstmal ab nach Paris, aber dafür muß ich hier erst noch 'ne Weile stehen.“ Der angehende Weltenbummler hat sich geschickt vor der Wechselstelle im Bahnhof postiert, die wegen Wassereinbruchs geschlossen ist. Während BesucherInnen noch das Hinweisschild zur nächsten Umtauschmöglichkeit entziffern, bietet er ihnen das Ostgeld zum Kurs von 1:4 an. Allerdings hat er wenig Glück: „Die Leute tauschen häufig erst bei der Bank oder so, damit sie eine Bescheinigung bekommen.“ Ein junger Mann läßt sich schließlich doch überreden. Für einen graublauen 10-DM -Schein erhält er vier braune Ostmark-Scheine. Mehr braucht er nicht: „Vielleicht kauf‘ ich mir Bücher und esse noch eine Kleinigkeit.“

Ein Bulgare steht daneben und ärgert sich, daß er nicht schneller war. Der Maschinenbauingenieur hat sich extra Urlaub genommen, um endlich an Westgeld zu kommen. Er braucht Ersatzteile für seinen VW-Passat. 500 D-Mark hat der „nebenberufliche“ Slibovitz-Brauer und Schriftsteller seit Anfang Januar zusammenbekommen.

Zwei Bahnpolizisten in blauer Uniform stehen knapp drei Meter von der dunklen Wechselstube entfernt und geben Auskünfte, wo Geld getauscht werden kann. Was um sie herum passiert, scheint sie wenig zu interessieren. „Wenn wir jemanden bei illegaler Devisenbeschaffung beobachten, gibt's erstmal eine Verwarnung.“ Die Frage, ob sie denn ein wenig Verständnis für die Schwarztauscher haben, verneinen sie entschieden: „Das sind doch alles 'Asos‘ - Arbeitslose, Penner und so. Halt die einschlägigen Typen, die Bahnhofs -Rumtreiber.“

Das stimmt mitnichten. Viele haben sich ein oder zwei Tage freigenommen, andere betreiben das verbotene Tauschgeschäft „nebenberuflich“ am Feierabend.

Die 200 Meter vom Bahnhof Friedrichstraße zur nächsten Wechselstelle in der Georgensraße um die Ecke werden für ehrliche TauscherInnen zum Hindernislauf. „Für das erste ertauschte Westgeld hab‘ ich mich neu eingekleidet Daunenjacke, Jeans, Turnschuhe“, der Mann vor dem kleinen Buchladen Ecke Friedrichstraße/Georgenstraße blickt an sich herunter: „Eigentlich möchte ich mir ein Auto kaufen. Einen kleinen Golf.“ Sein Freund will sich unbedingt in West -Berlin einen Tennisschläger kaufen: „Die gibt's zwar bei uns auch schon für 60 Mark, aber die Krücken kooft doch niemand.“ Ein Dritter aus der kleinen Gruppe hat sich schon einen Farbfernseher ausgesucht: „Dann vielleicht ein gebrauchtes Auto. Mal Italien wär‘ auch nicht schlecht.“ Der 34jährige Kraftfahrer beginnt mit einem Paar in mittleren Jahren zu feilschen. Als sie bei seinem Angebot von 1:4 noch zögern, treibt er nicht etwa den Kurs in die Höhe, sondern hat noch ein Bonbon zu bieten. Wenn sie bei ihm zehn D-Mark tauschen, bietet er ihnen zusätzlich eine individuelle Stadtrundfahrt in seinem Privatauto an. Die drei werden sich schnell einig und verschwinden in Richtung Parkplatz.

Silke Langhoff

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