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„ICH WILL MACHT“

■ Der Unternehmer und Wohl-Täter Dietrich Bahner über seinen „Rußlandfeldzug“

Moskau, Hotel Intourist, Montag, der 8. Januar 1990. Für Dietrich Bahner, Chef der „Europäischen Friedensinitiative, Deutsche für Deutsche e.V.“, ist das Unternehmen „Dank für Gorbi“ beendet. Sein Berliner Taxi- und LKW-Konvoi hat die Spenden, die kurzfristig in der Berliner Bevölkerung als Dank „für das russische Volk“ gesammelt wurden, abgeliefert: the show must go on.

Das Interview ist für 23.30 Uhr im „Löwenbräu-Keller“ des Hotels angesetzt. Dietrich Bahner ist stark angetrunken. Daß dies eher die Regel ist, daraus macht er während des gesamten „friedlichen Rußlandfeldzugs“ selbst nie einen Hehl. Das Gespräch verläuft entsprechend fulminant. Die drei Interviewpartner - eine Taxi-Crew von 70 - spielen die Rolle von Stichwortgebern. Es gilt, Schneisen in eine Rede zu schlagen, deren zirkuläre Struktur geprägt ist von jenem einen Objekt Bahnerscher Begierde: die Presse.

taz: Herr Bahner, sind Sie ein wohltätiger Mensch?

Dietrich Bahner: Ich bin erst einmal der schlimmste Egoist auf der Welt.

Warum sind Sie zynisch?

Weil ich die Welt im Griff habe. Weil ich der geilste Typ der Welt bin.

Sie wollen nicht ernst genommen werden.

Nein, ich nehme euch auch nicht ernst. Besonders die satten Chefredakteure nicht. Vor allem den von Springer bei dem würde sich selbst Springer im Grabe umdrehen, wenn er sehen würde, wie sein Erbe verwaltet wird. Aber ich bin der einzige Weltpolitiker, der es mit allen Scheißwohlstandsjournalisten aufnehmen kann. Jeder Journalist ist käuflich. Die taz halte ich noch für am wenigsten schlimm. Ich bitte euch also, scharf zu fragen und mich in Verlegenheit zu bringen. Aber zieht euch warm an, ich möchte euch genauso scharf antworten können. Und kürzen Sie nichts. Ich gebe euch eine Chance. Ich scheiße auf alle, selbst auf die BBC, wenn ich mit der taz rede. Schreiben Sie anders als der Schmierer vor drei Tagen (vgl. taz vom 4.1.)...

...Elmar Kraushaar. Sein Artikel war doch nicht schlecht.

Kraushaar heißt der. (lacht) Das ist ein Vorläufer der Hofberichterstattung der taz. Aber der Junge hat einen Instinkt für große Sachen. Er ist genial, weil er die Hälfte von Bahner kapiert hat. Es gelingt ihm nicht, seine Bewunderung gegenüber Bahner zu verbergen. Er hat nur den Wohltäter Bahner gesehen.

Es gibt noch einen anderen? Besteht die andere Hälfte aus dem Politiker, der vor sechs Jahren die Partei „Demokratische Aktion“ gegründet hatte?

Bahner von '84 ist der gleiche wie der Bahner von '90. Vor fünf Jahren wurde ich von der taz als die letzte Unternehmersau dargestellt. Aber ich bin bereit, den Mantel der Nächstenliebe darüber zu decken. Haben Sie ein Abonnement der taz dabei? Schicken Sie mir eins. Nein, ihr Dümmlinge, ihr satten Wohlstandsdümmlinge. Ihr habt nicht das Gespür dafür gehabt, daß ich mich nicht geändert habe, daß ich schon damals so war wie heute. Meine Frau wußte immer, daß ich nur Gutes vorhabe und nur Gutes getan habe. Ich bin ein Einzelpolitiker. Ich bin zu stolz für die Parteipolitik, ich genüge mir selbst. An meinen Ideen wird die Welt genesen. Schreiben Sie das!

Um auf Ihre „Europäische Friedensinitiative“ zurückzukommen: Welchen Stellenwert hat die in diesem Programm?

Ich habe 4,8 Millionen gespendet. Damit war die „Europäische Friedensinitiative“ die geilste von allen. Im Vergleich zu allen, die sich in die Brust geworfen haben. Ich war zur besten Zeit in einer Fernsehshow, die in der ganzen Sowjetunion ausgestrahlt wurde. Ich habe gesagt, ich spende nur, wenn ich da als erster genannt werde. Man bat mich: Lassen Sie doch dem Obersten Sowjet den Vortritt. Ich heiße hier Bratik Dietrich: Ich bin Pate eines sowjetischen Waisenhauses geworden, ich habe denen lauter Kuscheltierchen beschafft. Und ich habe ihnen gesagt, wir werden dafür sorgen, daß ihr eine anständige Ausbildung bekommt und einen anständigen Job. Unsere Initiative, die so friedlich angelegt ist, wird alle Bürokratismen bekämpfen, und 90 Prozent der Weltbevölkerung werden uns darin unterstützen. Bahner bietet globale Weltmodelle in ökonomischer und sozialer Hinsicht. Vor fünf Jahren war ich noch unreifer. Es war ein Fehler, die „Demokratische Aktion“ als Partei zu gründen. Heute mache ich dasselbe mit einer überparteilichen Initiative. Damals wollte ich etwas gegen diese satten, inkonsequenten Scheißer meiner Partei (die CDU, Anm. d. Red.) tun. Ich habe die SPD links und die CDU rechts überholt.

Könnten Sie uns dafür Beispiele nennen?

Ich habe das damals gesagt, also stimmt es. Ich hätte Erfolg gehabt, wenn ich keinen Charakter gehabt hätte. Wissen Sie, die Analyse hat immer zu meinen größten Stärken gehört. Ich wußte, ich hätte nur wie LePen die Schleusen der Ausländerfeindlichkeit öffnen müssen. Meine Initiative war so gut, sie war so gut, daß ich innerhalb weniger Monate auf 16.000 Stimmen kam. Wenn du, lieber Bahner (ich sage ja meistens Sie zu mir, weil ich soviel von mir halte, sage höchstens „lieber Friedensfürst“, sagte ich zu mir, wenn du nur drei Schräubchen weiter nach rechts gedreht hättest, dann... Heute bin ich viel stärker, heute stehen 90 Prozent der Weltbevölkerung hinter mir. Ich könnte soviele kriminelle Delikte verüben, wie ich will.

Haben Sie Todesangst?

Nein. Ich habe nur Angst, daß ich es nicht mehr schaffe, die Sache, die so toll ist, zu Ende zu führen. Es gibt nur zwei Sachen, die diese tolle Sache stoppen können: entweder ich selbst oder Gott. Wer sich heute nicht an Bahners Schwanz hängt, hat den Zug verpaßt.

Sie ballen sehr oft Ihre Faust.

Ja, ich bin sehr stark. Mich stoppt kein russischer Panzer. Ich brülle jeden Tag. Dreimal. Dreimal brülle ich alle Leute zusammen. Wer nicht gut arbeitet, wer eine Bremse ist, wird zusammengeschissen. Auch die Berliner Taxifahrer. Die ich eigentlich sehr bewundere.

War das der Grund für Ihre Entscheidung, die Spenden mit Taxis zu transportieren?

War das wirtschaftlich, wurde ich sehr oft gefragt, warum wurden die Spenden nicht einfach ins Flugzeug gepackt. Ich habe gesagt: Die Berliner Taxifahrer müssen dabei sein. Ich brauche die Unterstützung der in meinen Augen wichtigsten Bevölkerungsgruppe in Berlin: die Taxifahrer. Sie haben Herz und Verstand.

Das hat Axel Springer auch gesagt.

Es ist nicht schlecht, Richtiges zu übernehmen. Ich habe Axel Springer unheimlich verehrt, weil mein Vater und Axel Springer viele Gemeinsamkeiten hatten. Sie waren beide konservativer als ich, aber sie waren glühende Verfechter von Freiheit und Liberalität. Sie hatten beide viele Juden als Freunde. Mein Großvater war ein Freund Rathenaus. Mein Vater hat in der Nazizeit Juden versteckt. Auch wenn er nicht zum engeren Kreis des 20. Juli gehörte. Aus dieser liberalen und konservativen Familie komme ich. Und ich bin noch ein wenig liberaler als sie.

Interessieren Sie die Berliner Taxifahrer wegen ihrer Multiplikatoreneigenschaft?

Ohne sie würden wir nur ein Zehntel des Erfolges haben. Auf der Fahrt nach Moskau sind viele durchgedreht, als sie mit Bürokratismen aus Ost und West konfrontiert wurden. Nehmen Sie als Beispiel nur die Benzingutscheine. Deswegen hatten sie das Bedürfnis, sich bei dem Arschloch Bahner auszukotzen. Ich habe das vorausgesehen. Ich wollte sie leiden sehen. Sie haben noch viel zuwenig Opfer gebracht. Heute würden nicht einmal mehr vier von ihnen über mich herfallen - weil diese Schlacht um Rußland, dieser Durchstoß nach Moskau, innerhalb von dreieinhalb Tagen bewältigt wurde. Wir sind nach Moskau gekommen und nicht 30 Kilometer vorher stehengeblieben.

Warum sagen Sie das?

Es geht um den totalen Krieg. Es geht um den atomaren Krieg, den totalen Krieg. Schreiben Sie das, junger Freund! Schreiben Sie alles wortwörtlich, wie ich es Ihnen sage. Schreiben Sie! Ich kann mir alle geilen Ausdrücke leisten, die es gibt.

Bei dem totalen Krieg gegen die Sowjetunion sind 20 Millionen umgekommen. Was fasziniert Sie an Hitler?

Der Oberschlächter der Welt war Hitler. Der zweite: Stalin oder Mao Tse-Tung. Bahner hat's analysiert: Die drei größten Schlächtereien fanden in den Jahren 1938 bis 1953 statt. Gegen diese drei Schlächtereien der Weltgeschichte waren Nagasaki und Hiroschima ein Gnadenakt. Mich fasziniert die Macht; nur will ich sie als friedliche Macht.

Das Gespräch führten Jonny Jacobsen, Sigrid v. Klinggräff und Friedrich v. Klinggräff

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