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Tibet-betr.: "China kündigt Ende des Kriegsrechts an", "Pekinger Zustände", taz vom 11.1.90

betr.: „China kündigt Ende des Kriegsrechts an“, „Pekinger Zustände“, taz vom 11.1.90

Im Gegensatz zu Peking ist das Kriegsrecht in der tibetischen Hauptstadt Lhasa nicht aufgehoben und wird, wie der stellvertretende Vorsitzende der regionalen KPCh erklärte, auch „in der nächsten Zukunft nicht aufgehoben werden“.

Nach Angabe des staatlichen Touristenbüros in Lhasa werden für die nächsten zwei bis drei Jahre auch keine EinzeltouristInnen ins Land gelassen.

Inzwischen werden weitere Verhaftungen und Verurteilungen aus Lhasa und anderen Städten Tibets gemeldet, unter anderem wurden elf Tibeter wegen Verbreitung von Unabhängigkeitsparolen zu 17 bis 19 Jahren Gefängnis verurteilt. Ein 14jähriger Schüler wurde ohne Verhandlung für „unbestimmte Zeit in ein Arbeits-Erziehungslager wegen Anklebens eines Unabhängigkeitsplakates“ gesteckt. (...)

Die letzte Demonstration, an der sich viele Studenten beteiligten, fand am 10. Dezember statt, dem Tag der Verleihung des Friedensnobelpreises an den Dalai Lama. Die Innenstadt wurde von Truppen umstellt, und zum ersten Mal fuhren in Lhasa auch Panzer auf.

Die 'Washington Post‘ sprach am 21.12.89 von über 680 politischen Gefangenen in Lhasa, davon viele Jugendliche.

Michael Alexander, Tibet Information Service, Langenfeld

(...) Gerade in jüngster Zeit erreichen uns verstärkt Nachrichten über Tibeter, darunter auch minderjährige Schüler, die wegen gewaltfreier Protestaktionen in Massenprozessen und im Schnellverfahren zu hohen Haftstrafen verurteilt werden. Manchen droht gar die Todesstrafe. Aus der taz erfahren wir so gut wie nichts darüber.

Vor und nach dem Peking-Massaker berichtete die taz wochenlang hervorragend über die Bewegung für mehr Demokratie. Wenig ist von dieser Berichterstattung übriggeblieben. Dabei verstärkt die chinesische Regierung in jüngster Zeit (zum Beispiel Xinhua, 7.1.90) ihre Diffamierungskampagne gegen die im Exil gegründete und auch in der Bundesrepublik aktive „Föderation für ein demokratisches China“. Nichts davon in der taz. Die Aufhebung des Kriegsrechts in Peking wird an dieser Kampagne ebensowenig ändern wie an der weiteren Verfolgung von Demokraten und Menschenrechtsaktivisten in China.

„Sechs Jahre Haft für einen Steinwurf, zehn Jahre für den Besitz von Waffen“, schreibt Simone Lenz. Weiß sie nicht, daß diese Vorwürfe willkürlich konstruiert sind und von der Wahrheit entfernt wie die offizielle Version des Juni -Massakers von den tatsächlichen Ereignissen? Und wenn sie es weiß, wieso schreibt sie es nicht?

Die genaue Zahl der seit dem Massaker am 3./4. Juni Verhafteten ist ein streng gehütetes Geheimnis. Unabhängige Beobachter sprechen von mehreren Zehntausenden. Sie sind ohne Gerichtsurteil oder unter Kriegsrechtsbestimmung verhaftet worden und noch immer in Haft. Solange sie nicht frei sind und die Verfolgung gegen die Demokratiebewegung und die Unterdrückung des tibetischen Volkes weitergeht, solange das am 31. Oktober 1989 verkündete Demonstrationsgesetz, das faktisch jede Demonstration verbietet, fortbesteht, solange kann von einer Aufhebung des Ausnahmezustandes keine Rede sein.

Frieder Wolf, Asienreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Göttingen

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