: Riesenpleite in den USA
■ Einzelhandels-Imperium Campeau am Rande des Ruins / Feindliches Übernahmemanöver endet beim Konkursrichter / Gläubiger sehen in die Röhre
New York (dpa/taz) - Die US-amerikanische Übernahmegeschichte ist um einen Skandalfall reicher. Die zu dem kanadischen Campeau-Konzern gehörenden amerikanischen Warenhausketten Federated Department Stores und Allied Stores haben mit 7,5 Milliarden US-Dollar ausstehender Kreditverpflichtungen den Gang zum Konkursrichter antreten müssen. Die Nachricht vom größten Insolvenzverfahren im amerikanischen Einzelhandel schlug ein wie eine Bombe. Die beiden Unternehmen, die sich unter den Schutz des Paragraphen 11 der US-Konkursordnung stellten, sind schließlich keine anonymen Gesellschaften, sondern spielen eine gewichtige Rolle im Alltagsleben der Amerikaner.
Die gigantische Pleite verdankt sich nicht allein den dürftigen Einzelhandelsumsätzen des letzten Jahres. In erster Linie ist sie das Ergebnis eines waghalsigen Aufkaufmanövers, das mit risikobeladenen und entsprechend hochverzinsten „Schrottanleihen“ (junk bonds) finanziert wurde. 1986 hatte der kanadische Immobilienunternehmer Robert Campeau die Allied Stores Corp. für 3,6 Milliarden Dollar übernommen, zwei Jahre später die Federated Department Stores für 6,6 Milliarden Dollar - und damit ein Einzelhandelsimperium aufgebaut, das insgesamt 260 Läden in 28 Bundesstaaten mit fast 100.000 Beschäftigten umfaßt. Insbesondere der Erwerb von Federated Stores sollte sich allerdings rächen. Das von Campeau ausgesprochene Eröffnungsangebot von 47 Dollar je Aktie mußte im Wettlauf mit Mitbewerbern auf 73,50 Dollar hochgeschraubt werden. Obwohl Campeaus Investment-Berater, die sich den Deal einiges kosten ließen, den Preis noch für ökonomisch vertretbar hielten, war mit dieser Übernahme der Anfang vom Ende des Campeau-Imperiums besiegelt. Die zur Finanzierung notwendige Ausschlachtung des Konzerns und der Verkauf einiger Betriebsteile ging genauso langsam voran wie das Programm einer rigiden Kostenstraffung. Als der von Beginn an teure Kredit in Höhe von 3 Milliarden US-Dollar durch den Anstieg der Zinsen noch teurer wurde, kam es zu einer Liquiditätskrise. Bereits im September letzten Jahres ließ Campeau verkünden, daß Bloomingsdale's, das Flaggschiff seines Konzerns, zum Verkauf stünde. Eine Milliarde US -Dollar sollten auf diese Weise eingespielt werden - was nicht gelang.
Heute steht die Campeau Corp., der Gründer hat längst die Kontrolle über das Unternehmen verloren, vor einem Berg von 7,5 Milliarden Dollar Schulden, und neun der größten amerikanischen Einzelhandelsketten, die jede für sich wirtschaftlich profitabel waren, bevor sie das Opfer des Übernahmehais wurden, lavieren am Rande des Bankrotts. Zu den Verlierern zählen aber auch die Käufer der junk bonds, die keine Zinsen mehr erhalten. Und nicht vergessen werden dürfen auch einige Investmentbanken, die zu den Großgläubigern des Konzerns zählen. Geschädigt ist schließlich auch ein kanadischer Immobilien-Konzern, der sich mit 700 Millionen Dollar an den Übernahmegeschäften engagiert hat und diese Beteiligung in den Wind schreiben dürfte.
Der tiefe Fall des Kanadiers Campeau hat die pessimistischen Kommentatoren bestärkt, die nach dem „Geist des Goldrauschs der 80er Jahre“ ('New York Times‘) jetzt „die Bankrotte der 90er“ ('Washington Post‘) heraufziehen sehen. „Wir sind durch eine Periode gegangen, in der riesige Schulden in einen kurzfristigen Vorteil für Aktionäre resultierten, aber das hat große Unternehmen geschwächt, die das Herz unserer wirtschaftlichen Aktivität sind“, beschrieb ein Investmentbanker.
Das Insolvenzverfahren für Campeaus Einzelhandelsunternehmen hat den einzelnen Geschäften allerdings vorläufig erst einmal Luft zum Atmen verschafft. Lieferanten, die sich in den letzten Tagen geweigert hatten, weiter Waren zu bringen, weil sie um ihr Geld fürchteten, beliefern das elegante Bloomingdale's und die anderen Kaufhäuser wieder, weil ihre Forderungen nach den Bestimmungen des Paragraphen elf des Insolvenzrechts als erste befriedigt werden. Währenddessen müssen unter der Aufsicht eines Konkursrichters in Cincinnati Pläne für eine Umschuldung und Umorganisation des Unternehmens entwickelt werden.
Erste Schritte wurden bereits eingeleitet. Die beiden von der Pleite betroffenen Kaufhausunternehmen wurden zusammengefaßt und erhielten einen neuen Namen sowie einen neuen Vorsitzenden. Unter Führung der Citibank und der Chemical Bank wurden darüber hinaus 700 Millionen US-Dollar neue Mittel bereitgestellt, die zur Finanzierung des laufenden Geschäfts verwendet werden sollen. Ob dieser Betrag allerdings ausreicht, dem Konzern den notwendigen Zeitgewinn zur Ausarbeitung eines Sanierungsplans zu geben, ist fraglich.
Zausel
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