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„Herborn ist täglich wiederholbar“

■ Urteile im Prozeß um Tanklasterunfall: zweieinhalb Jahre Haft für den Spediteur, anderthalb mit Bewährung für Fahrer / Gericht: Druckabfall im Bremssystem war die entscheidende technische Ursache für die Katastrophe

Limburg (taz) - Nach 47 Verhandlungstagen und 11monatiger Dauer hat das Landgericht in Limburg im Prozeß um den Tanklasterunfall in Herborn am 7. Juli 1987 am Mittwoch das Urteil gesprochen: Der Spediteur Hanspeter Hartmann (35) wurde zu zweineinhalb Jahren Haft, der Fahrer des Unglücksfahrzeugs Joseph Vogt (49) zu anderthalb Jahren auf Bewährung und 6.000 DM Geldstrafe verurteilt. Die beiden anderen Angeklagten, die Disponentin Gertrud Thielen und der Werkstattleiter der Spedition Ralf Lemaire, wurden freigesprochen. Letzterem hielt das Gericht zugute, daß er in den Wochen vor dem Unfall mehrfach eine Generalüberholung des Unglücksfahrzeugs gefordert habe, die der Speditionschef Hartmann aber verweigerte: Die Ventile am Tank, der 36.000 Liter Benzin faßt, waren leck, den Fahrern spritzte beim Abladen der Treibstoff entgegen. Wäre diese Reparatur durchgeführt worden, hätte der technische Defekt am Luftdrucksystem des Fahrzeugs entdeckt werden müssen. Ein Druckabfall in diesem System, so das Gericht in der Urteilsbegründung, sei die technische Ursache des Unfalls gewesen - alle anderen von der Verteidigung ins Feld geführten theoretischen Unfallmöglichkeiten (wie etwa Brände im Turbolader und ähnliches) hätten sich, so der Vorsitzende Richter Dietmar Roth, als „potemkinsche Dörfer“ erwiesen.

Damit ist auch das von der Daimler-Benz AG produzierte elektropneumatische EPS-Getriebe aus dem Schneider, das im Prozeß eine wichtige Rolle spielte: Nach Angaben des Fahrers hatte sich das bremsschwache Unglücksfahrzeug nicht zurückschalten lassen. „Herborn ist täglich wiederholbar“, hatte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer betont und dabei neben dem Konkurrenzdruck privater „TÜV„-Untersuchungen auch Produkte wie die mit zahlreichen Mängeln auf den Markt gekommene neue Daimler-Schaltung als „unverantwortlich“ bezeichnet. Professor Bert Breuer von der TH Darmstadt hatte in seinem Gutachten erklärt, daß der Unfall mit einem Lastwagen mit herkömmlichem Getriebe möglicherweise nicht passiert wäre. Neben der Schuld des Spediteurs Hartmann, der trotz Aufforderung das offensichtlich defekte Fahrzeug nicht reparieren ließ, sah das Gericht auch die Schuld des Fahrers Joseph Vogt erwiesen: Vier Zeugen hätten glaubhaft bestätigt, daß der vom Fahrer bestrittene Stopp auf der Unglücksfahrt wenige Kilometer vor Herborn stattgefunden habe. Joseph Vogt hätte also gewußt, daß mit seinem Lastzug etwas nicht in Ordnung sei.

Fünf Menschen kamen am 7. Juli 1987 bei diesem Unfall ums Leben, 41 wurden schwer verletzt, ein Sachschaden von 17 Millionen DM steht zu Buche, verglichen damit mag das Urteil des Limburger Gerichts gnädig erscheinen. Andererseits haben die Verurteilten „nur“ fahrlässig gehandelt, es war eine Kette von Schlamperei und kleinen Mängeln, die dann im großen Inferno der Herborner Explosion endete. Den „Stein der Weisen“, so das Gericht, möge man in diesem Urteil nicht suchen, der liege, wenn überhaupt irgendwo, in diesem Fall beim Verkehrsministerium in Bonn.

mbr

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