: Streiks auf der Insel
Ford zeigt sich trotz Rekordgewinne knausrig / Streik im Gesundheitssektor droht ■ Aus London Ralf Sotscheck
Die Verhandlungen zwischen dem Automobilkonzern Ford und den britischen Gewerkschaften um Lohnerhöhungen wurden am Mittwoch abend ergebnislos abgebrochen. Ford hatte sein bisheriges Angebot nur minimal erhöht: Im ersten Jahr sollen 10,2 Prozent mehr Lohn gezahlt werden und im zweiten Jahr acht Prozent. Sollte die Inflationsrate im zweiten Jahr über diesem Zuwachs liegen, soll eine zusätzliche Erhöhung von 2,5 Prozent gewährt werden. Die Gewerkschaften lehnten diese Offerte deshalb ab, weil der Automobilkonzern bei der Verkürzung der 39-Stunden-Woche keine Zugeständnisse machen wollte.
Die Gewerkschaft hat die 33.000 Fordarbeiter in 21 britischen Werken für nächsten Dienstag erneut zur Urabstimmung aufgerufen und ihnen empfohlen, das Angebot des Konzerns abzulehnen. Falls die Arbeiter der Empfehlung folgen, wird der Streik am Freitag beginnen. Bereits am Mittwoch standen die Räder in den beiden größten Fordwerken still, weil sich die Arbeiter zu einem „wilden Streik“ entschlossen hatten. Fords Personalchef John Hougham zeigte sich von der Ablehnung des neuen Lohnangebots enttäuscht. Er sagte, der Konzern sei einen großen Schritt auf die Gewerkschaften zugegangen. Zwar erkenne das Unternehmen die Leistung der Arbeiter an, die den Rekordprofit von vier Milliarden DM in den letzten beiden Jahren ermöglichte, aber es wolle seine Marktstellung nicht gefährden.
Ebenfalls am Mittwoch hat das britische Gesundheitsministerium geheime Verhandlungen mit der Gewerkschaft aufgenommen, um die seit 19 Wochen andauernden Arbeitskämpfe der Krankenwagenfahrer zu beenden. Das Ministerium ist bereit, sein Angebot von Lohnerhöhungen um neun Prozent zu verbessern, weigert sich jedoch, der Gewerkschaftsforderung nach langfristigen automatischen Lohnsteigerungen zuzustimmen. In den nächsten Tagen finden in zahlreichen Bezirken Urabstimmungen statt, um die Unterstützung für einen Streik auszuloten.
Die Krankenwagenfahrer haben die Sympathien der Bevölkerung auf ihrer Seite. Allein in Manchester wurden 700.000 Mark für die Streikkasse gespendet. Die britische Regierung erlitt am Mittwoch vor dem Europäischen Parlament in Straßburg eine Niederlage. Die Abgeordneten stimmten mit deutlicher Mehrheit für eine dringende Debatte über eine Resolution, durch die London aufgefordert werden soll, einen unabhängigen Vermittler einzusetzen.
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