: Demokratie auf Zuruf
Rumänien zwischen Populismus und Militärmacht ■ K O M M E N T A R E
Es ist schon abenteuerlich gewesen, wie die neue rumänische Führung politisch ins Schlingern geriet. Da war sich der Vorsitzende des Exekutivkomitees des „Rates der Front zur Rettung der Nation“, der Exkommunist Ion Iliescu und sein Regierungschef Petr Roman nicht schade genug, unter dem Druck der Straße gerade getroffene Entscheidungen voluntaristisch umzustürzen. Sicherlich, die Wiedereinführung der Todesstrafe für Securisten ist in einem Rumänien populär, das erst jetzt das gesamte Ausmaß der durch Ceausescu herbeigeführten Katastrophe zu erkennen beginnt. Und es befriedigt sicher die Volksseele, wenn die am Boden liegende Kommunistische Partei verboten wird. Wer jedoch einmal hüh und einmal hott sagt und nicht den Mumm aufbringt, in diesen prinzipiellen Fragen der Demokratie, der Parteienfreiheit und des Rechtsstaats dem Druck der Straße zu widerstehen, dem ist für die zukünftige demokratische Entwicklung in Rumänien tatsächlich nicht viel zuzutrauen.
Doch gerade noch rechtzeitig hat der 150köpfige Rat der Front zur Rettung der Nation die selbstherrlich entscheidende engere Führungsriege zurückgepfiffen. Daß dieses Gremium, das in den Tagen der Revolution auf Zuruf entstanden war, in dem sich alte Kommunisten mit alten Dissidenten treffen, in dem auch als „Fachleute“ deklarierte Opportunisten, die schon dem alten Regime gedient haben, genauso stimmberechtigt sind wie Militärs und die demokratischen Revolutionäre aus dem Kulturbereich, trotz seiner Heterogenität die Kraft aufbrachte, die Führungsriege zur Selbstkritik zu zwingen, spricht für die demokratische Substanz, die sich trotz aller Widersprüche in ihm entwickelt hat. Wenn auch in der Zukunft die Führung die Prinzipien des Rats akzeptiert, wenn in Zukunft die neuen Parteien an den grundsätzlichen Entscheidungen wie der Entwicklung des Wahlgesetzes z.B. beteiligt werden, dann sind es tatsächlich Hoffnungszeichen für die Entwicklung einer demokratischen Kultur. Und das ist nicht selbstverständlich in einem Land, das noch niemals demokratische Institutionen verfügte. So ist der Mut der Mehrheit des Rats, den populistischen Strömungen zu widerstehen, gerade jetzt nicht hoch genug einzuschätzen.
Die entscheidende Frage aber betrifft die Rolle des Militärs. Wird es in dem sich entwickelnden Machtdreieck von Rat der Front, Regierung und Führungsriege und dem Militär selbst bereit sein, diese Entwicklung mitzutragen? Denn allen Dementis zum Trotz haben die Militärs die politischen Auseinandersetzungen in der ebenfalls heterogenen Organisation der Front in manchen Provinzen genutzt, um die Macht dort allein zu übernehmen. Die Macht dort wieder auf verläßliche zivile Instanzen zu übertragen, wird zu den nächsten Aufgaben der demokratischen Kräfte im obersten Führungsgremium der Front gehören.
Erich Rathfelder
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