: FBI „verkokst“ Washingtons OB
Der Oberbürgermeister der US-Hauptstadt wird beim angeblich versuchten Kokainkauf festgenommen / Jesse Jackson als möglicher Nachfolger genannt ■ Aus Washington Rolf Paasch
Washington macht seinem Ruf als amerikanische Drogenkapitale wieder einmal alle Ehre. Marion Barry, der seit elf Jahren regierende schwarze Oberbürgermeister der US-Hauptstadt, ist am Donnerstag in einem Luxushotel der Washingtoner Innenstadt von Undercover-Agenten des FBI beim angeblich versuchten Drogenkauf festgenommen und am Freitag morgen einem Haftrichter vorgeführt worden. Ob schuldig oder nicht, damit dürfte die politische Karriere des 53jährigen Bürgermeisters in dem mondän-schmierigen Viertel an der 15. Strasse - wo Barry schon in der Vergangenheit im Drogenschuppen „This is it“ in angeblich angekokstem Zustand gesichtet worden war - zu Ende gegangen sein. Barry, der aus der Bürgerrechtsbewegung kam, war im vergangenen Jahr immer wieder des Drogengenusses bezichtigt worden, nachdem ein als Polizeispitzel arbeitender Dealer den Bürgermeister des Kokainkaufs beschuldigt hatte.
Viel mehr als das Schicksal des einstmals populären, aber in letzter Zeit recht angeschlagenen OB's, interessierte Washingtons politische Klasse denn am Freitag auch gleich die Frage von Barrys Nachfolge. Alle Augen richten sich dabei auf den im vergangenen Jahr nach Washington gezogenen schwarzen Bürgerrechtler Jesse Jackson, der bisher immer eine Kandidatur für das Oberbürgermeisteramt gegen „seinen Freund“ Marion Barry abgelehnt hatte. Für Jackson, der 1988 gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Michael Dukakis unterlegen war, könnte eine erfolgreiche Amtsperiode als OB der US-Bundeshauptstadt das Sprungbrett für eine spätere Präsidentschaftskandidatur darstellen. Sollte Jackson, der sich zu den neuen Ereignissen mit einer Stellungnahme noch vornehm zurückhält, nicht kandidieren, liefen die Demokraten bei den diesjährigen Bürgermeisterwahlen in ihrer Hochburg sogar Gefahr, das Amt an den zu den Republikanern übergelaufenen populären Polizeichef Stanley Turner zu verlieren. Das Bild von einem schwarzen, Crack-rauchenden OB in der zu 70Prozent von Schwarzen bewohnten „Mörder-Metropole“ Washington - wo ein Großteil der 438 Morde im letzten Jahr das Resultat eines harten Verteilungskampfes im Drogengeschäft waren - wird die einer wirklichen Drogenbekämpfung hinderlichen Stereotype und Vorurteile weiter bestärken.
Und ob berechtigt oder nicht, werden die Andenstaaten auf dem Drogengipfel im Februar Präsident Bush den „Fall Barry“ vorhalten: als weiteren Beweis für die Tatsache, daß die USA ihren „Drogenkrieg“ lieber in die Produktionsländer exportieren, als sich daheim der Nachfrageproblematik anzunehmen, die offenbar bis in die allerhöchsten Ränge reicht.
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