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Wie kapitalistisch wird die DDR?

■ Tagung in Bremen / Interview mit Dr. Martin Dube, Neues Forum/DDR und Wirtschafts-Berater des Demokratischen Aufbruch

Welche Entwicklungsperspek tive hat die DDR?

Martin Dube: Es ist aus der heutigen Sicht sehr schwer zu definieren, wo die Mängel und wo die Potenzen der DDR liegen. Niemand weiß, wie tief die Karre im Dreck sitzt und welche Kräfte mobilisiert werden müssen.

Gibt es unter DDR-Ökonomen noch andere Modelle als das der West-Marktwirtschaft?

Es gibt unterschiedliche Überlegungsansätze, aber die Mehrheit hat eingesehen, daß das planwirtschaftliche Modell erledigt ist und eine ökologisch verantwortbare soziale Marktwirtschaft angestrebt werden sollte.

Das klingt sehr klassisch liberal. Die westlichen Gesellschaften haben festgestellt, daß soziale und ökologische Absicherungen nur durchsetzbar sind, wenn der

Staat direkt ökonomische Macht ausübt.

Ich glaube, daß in der DDR der Staat dominant war und daß er ein klares Zeichen setzen muß, daß er sich zurückziehen muß, damit die wirtschaftlichen Triebkräfte geweckt werden. Vom Neuen Forum ist ein klares Mitbestimmungs-Modell angedacht worden, in dem neben dem West-Kapital ein Drittel Arbeitnehmer und ein Drittel der Stimmen von den Kommunen gestellt werden.

Von westdeutscher Seite, etwas Lambsdorff, wird Druck ausgeübt, die Barrieren für West-Kapital völlig glatt schleifen...

Es gibt in der DDR die Sorge, daß der Raubkapitalismus des 19. Jahrunderts einfällt, ungehemmt. Ich glaube aber, daß in der jetzigen Situation der DDR auch die Chance zum Neuanfang da ist.

Es gibt jedoch einen Punkt, der an den Lambsdorffschen Ideen zu beachten ist: Das ist die Tatsache, daß die DDR nicht der einzige Kapitalmarkt ist, der interessant ist. Die DDR ist nicht der günstigste Mitbewerber, sie konkurriert etwa mit Österreich oder Spanien. Es ist realistisch, wenn die DDR hier die Meßlatte nicht zu hoch hängt.

An die sozialen Absicherungen könnte man einige Räuber ranlassen und das Kapital mit billigen Löhnen von Spanien weglocken.

Ich glaube, daß das eine Wahrheit ist, mit der die DDR wird leben müssen. Ihre sozialen Ansprüche dürfen nicht übertrieben sein. Die können nicht das gleich Maß haben wie die der Bundesbürger. Was wir vermeiden wollen, sind die sozialen Härten der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, daß Leute

auf der Straße verhungern und erfrieren.

Warum bist Du Berater des Demokratischen Aufbruch?

Ich bin bom Demokratischen Aufbruch angesprochen worden, das zu machen. Ich werde von der Akademie der Wissenschaften bezahlt, ich bin auch nicht Mitglied des Demokratischen Aufbruch, weil ich unabhängig bleiben will.

Wenn die DDR-Grünen Dir ein Angebot gemacht hätten, hättest Du auch zugesagt?

Wenn die schneller gewesen wären...

Int. k.W.

Forum Ökonomische Entwicklungsperspektiven der DDR, Samstag, 27.1., ab 10 -15 Uhr, DGB-Haus

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