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Grüne: „Zu allem was gemacht“

■ Fraktion legte Rechenschaft ab: Vergessen, die Machtfrage zu stellen

„Wir sind nicht mal mehr eine stinknormale Partei.“ Jochen Rieß, ehemals selbst grüner Partei-Vorsteher, brachte die Katzenjammer-Stimmung am Montag abend bei der ersten Mitgliederversammlung im zweiten Jahrzehnt der Partei -Existenz auf den Punkt. Die Bremer Grünen sind in einer Verfassung, in der der gute Vorsatz zur höchsten Form der Politik avanciert.

Die „Basisbewegungen sind weitgehend verschwunden„; die Partei ist „weitgehend abgetaucht“, unter verschiedenen Parteigremien herrscht „wechselseitiges Desinteresse“, der Vorstand ist halbverwaist - von sieben satzungsgemäß vorgesehenen Mitgliedern amtieren noch drei, seit Montag wieder vier -, und die Fraktion ist von „Umarmungsstrategien“ der SPD und von der Enteignung „ureigenster grüner Themen“ bedroht.

Selbst ihre Selbstkritik bezieht die Fraktion inzwischen aus der „Frankfurter Rundschau“, in der Fraktionssprecher Paul Tiefenbach eine passende Einleitung zu seinem Rechenschaftsbericht für

die Parteibasis gefunden hatte: „Die Fraktion verzettelt sich in Detailhuberei, ist ungemein fleißig, aber von dem Anspruch, die wirkliche Opposition zu sein, weit entfernt“, schrieb die FR vor 14 Tagen, was der Bremer Fraktionschef offensichtlich voll unterschreiben konnte. Gleichwohl konnte Tiefenbach dem „solide absolvierten Pflichtprogramm“ auch Lobenswertes abgewinnen: „Wir haben immerhin zu allem irgendwas gemacht.“ 433 eigene parlamentarische Initiativen der Grünen hatte der Fraktionsprecher gezählt: „Ich hätte selbst nicht gedacht, daß es so viele sind.“

Woran liegt's? An der Presse, die „die mühsam erarbeiteten“ politischen Konzepte nicht ausreichend zu würdigen weiß, wie Tiefenbach unter anderem vermutete? An den - in seinem Rechenschaftsbericht „bewußt ausgesparten“ „fraktionsinternen Streitereien“ (die für Insider dennoch sehr genau nachzulesen waren: So tauchte das Arbeitsfeld „Innenpolitik“ des Tiefenbach-Kontrahenten Martin Thomas mit

ganzen fünf Zeilen in dem 11-Seiten-Papier auf, Thomas‘ einjährige Arbeit im Geiselausschuß überhaupt nicht)? Liegt der Oppositions-Frust an der sicheren, scheinbar unerschütterlichen Mehrheit der SPD? Oder an der Bremer Verfassung, die eine Auflösung des Parlaments zwischen den Wahlen unmöglich macht? Liegt es an den manchmal „grauenhaften Parteistrukturen“ und dem „hyänenhaften Kleinkrieg unter uns“, wie die Bürgerschaftsabgeordnete Helga Trüpel vermutete? Oder daran, daß die Grünen in entscheidenden Fragen nichts mehr zu sagen haben, sich angesichts der Entwicklung in der DDR z.B. ins „deutschlandpolitische Abseits“ manövriert und und „für den Fall einer Wiedervereinigung keine Position“ haben, wie Ex -MdBB Dieter Mützelburg mutmaßte?

Eine weitere Variante der Ursachenforschung für die „relative Profillosigkeit der Grünen“ steuerte Ralf Fücks, ehemals Abgeordneter und inzwischen grüner Bundesvorstandssprecher, bei. Seine These: „Wir haben uns all

mählich eingerichtet in der bequemen Rolle der Opposition, statt politische Konflikte zu finden, an denen sich die Machtfrage stellen läßt. Wir werden als Herausforderer nicht mehr ernstgenommen, wenn wir uns darauf beschränken, überall nur anderer Meinung zu sein.“ Fücks Plädoyer - unterbrochen von einem Zwischenruf „zurück zu den Schienenblockaden!“ seines ehemaligen Fraktionskollegen Thomas - : „Wir müssen die entscheidenden Konflikte in der Verkehrs-, in der Energie- und der Müllpolitik so weit zuspitzen, daß sich die Durchsetzungsfähigkeit unserer Konzepte testen läßt.“

Zuspitzen, Kräfte bündeln, Schwerpunkte setzen, zielgerichtete Kampagnen organisieren - das war nach rund zweistündiger Debatte das einhellig verordnete Rezept für den Weg aus der grünen Flaute. Intern wollen die Grünen dabei „kooperativer“ miteinander umgehen, „mehr zusammen hinkriegen“ und regelmäßigere Treffen von Fraktion, Parteivorstand und Kreisvorständen organisieren.

K.S.

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