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REPs gründen Kreisverband in der DDR

Kreisverband „Leipzig-Stadtmitte“ erster Stützpunkt der „Republikaner“ in der DDR / Bundesdeutsche Geburtshelfer / Mit „Nazis raus„-Rufen sprengten vermummte Demonstranten die Zusammenkunft / Volkspolizei nahm drei Demonstranten fest  ■  Aus Leipzig Bernd Siegler

Die rechtsextremen „Republikaner“ haben ihren ersten Stützpunkt in der DDR errichtet. Im Anschluß an die von 100.000 Menschen getragene Montagsdemonstration in Leipzig gründeten knapp fünfzig Parteimitglieder, angeleitet von oberbayerischen REP-Funktionären, den Kreisverband „Leipzig -Stadtmitte“. Zu dem geselligen Teil nach den Vorstandswahlen kam es jedoch nicht mehr. Etwa fünfundzwanzig meist vermummte, „Nazis raus“ skandierende Personen zertrümmerten mit Pflastersteinen und Holzknüppeln sämtliche Fensterscheiben und das Mobiliar der Bierbar des Hotels im Leipziger Bahnhofsviertel.

Ausgerüstet mit 40.000 Flugblättern, Plakaten und Aufklebern war unter Führung des stellvertretenden bayerischen REP-Landesvorsitzenden Franz Glasauer eine Delegation von bundesdeutschen REPs nach Leipzig gestartet. Dort halfen ihnen dreißig REP-Sympathisanten und -Mitglieder aus Leipzig und Umgebung beim Verteilen des Materials. Ungeachtet der Worte von Pfarrer Weidel, der sich zu Beginn der Demonstration gegen jeglichen Radikalismus ausgesprochen hatte, fanden nicht nur die REPs, sondern auch eine Delegation der FAP-Nazis mit Parteichef Friedhelm Busse an der Spitze sowie Anhänger aus dem Umkreis der Koblenzer nationalrevolutionären Zeitschrift 'wir selbst‘ große Resonanz.

Nachdem bereits letzte Woche die Gründung eines REP -Kreisverbands an der Frage der Räumlichkeiten gescheitert war, stand ihnen jetzt die Bierbar des Hotels am Listplatz zur Verfügung. Mit Fahnen und Aufklebern wurde der mit 70 Sympathisanten bis auf den letzten Platz gefüllte Raum zum Parteilokal umgemünzt. Glasauers Forderung nach „sofortiger und umgehender Wiedervereinigung“, einem „Europa der Vaterländer“ wurden von den zumeist jungen Männern und den drei anwesenden Frauen genauso mit Begeisterung aufgenommen wie seine ausländerfeindlichen Parolen.

Der erste REP-Kreisverband in der DDR wählte den 21jährigen Werkzeugschlosser Harald Liebhein zum Vorsitzenden. Der gleichaltrige Elektromonteur Jens Pörschmann, dessen „Herz für Deutschland und die Partei schlägt“, wurde zum Stellvertreter gewählt, die 18jährige Krankenschwester Claudia Volkmer, die mit dem „Programm“ angetreten war, daß „die Ausländer hier rauskommen“, wurde Kassiererin. Mit dieser Kreisverbandsgründung, so Glasauer, seien die REPs die „erste wirklich gesamtdeutsche Partei, die ohne Hilfstruppen und Ableger in der DDR“ agiere. Anschließend verabschiedete die Versammlung eine von den bundesdeutschen Funktionären vorbereitete „Leipziger Erklärung“, in der die Partei „mit Sorge das Auftreten von Vermummten und Chaoten bei den Montagsdemonstrationen“ beobachte und „Gewalt ohne Wenn und Aber“ ablehne.

Kurz nach den Vorstandswahlen sprengten antifaschistische Demonstranten die REP-Zusammenkunft, beschädigten das Auto eines freien Kamerateams aus der BRD und schlugen die Bierbar kurz und klein. Die anwesenden REPs flüchteten sich panikartig in den ersten Stock und bliesen anschließend erfolglos zur Hatz „auf die Roten“. Nachdem der erste Schreck vorüber war, begannen die Republikaner den Vorfall für sich zu nutzen, suhlten sich in ihrer Märtyrerrolle als „Opfer des roten Terrors“ und waren mit Erklärungen schnell bei der Hand. Allen voran REP-Funktionär und „DDR -Koordinator“ Reinhard Rade aus Oberbayern. Für den Vorfall machte er den „Sturmtrupp der SED, gedeckt von der neuen SPD“ verantwortlich. Hier hätten sich „Chaoten aus Westdeutschland und der DDR verbrüdert“.

Die Volkspolizei dagegen schloß eine Beteiligung von Bundesdeutschen aus. Sie nahm drei Personen aus Leipzig fest, auf die nun ein Verfahren wegen besonders grober Sachbeschädigung wartet, da mit der Zerstörung des REP -Lokals „Volkseigentum“ beschädigt worden war.

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