: Technologiepark unterm Hammer
■ Manager managten Europart zugrunde / Ehemalige MitarbeiterInnen wollen Erinnerungen ersteigern
Heute kommt die einstmals gut florierende „Europart Electronic- und Kunststoffwerke GmbH“ endgültig unter den Hammer des Hamburger Auktionators Angermann. Das vor gut zwei Jahren in einem spektakulären Management-buy-out hoffnungsvoll in die Zukunft investierende Unternehmen hatte unter der Leitung seiner einstigen Manager und späteren Gesellschafter immer weiter abgewirtschaftet - „kein einziger Auftrag war kostendeckend kalkuliert“, erzählen sich heute die rund 500 Mitar
beiterInnen, die sich seit Dezember nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen mußten, nachdem der einzige ernsthafte Kaufinteressent vom Vertrag abgesprungen war. „Ihm wurden immer neue Steine in den Weg geräumt. Der angeblich kontaminierte Boden des Betriebsgeländes war nur einer davon“, berichtete gestern einer der ehemaligen Europart -Abteilungsleiter bei der Besichtigung der Versteigerungsmasse.
Manch einer der Interessenten-Aasgeier verirrte sich gestern über die Verladerampe in die ehe
malige Produktionshalle: Auf originalverpackten Leuchtstoffröhren und matt schimmernden Karosserieteilen klebten allerdings ganz andere Nummern als die in den Versteigerungslisten aufgeführten. Hier waren Arbeiter damit beschäftigt, Regale aufzubauen und Kabel neu zu verlegen: „Sehen Sie nicht den Stern überall?“ fragt einer vom Gabelstapler herunter die suchend umherirrenden Herren im grauen Zwirn. Daimler sei inzwischen mit einem Ersatzteillager hier eingezogen.
Vor den Rampen parken unterdessen die Lastzüge und Anhänger im bekannten Europart-Design - allerdings ohne Nummernschilder, denn auch der komplette Fuhrpark wird heute meistbietend verhökert. Neben all den CNC-Fräsmaschinen, Werkbänken und Meßgeräten, die zum Teil erst in den letzten zwei Jahren für über drei Millionen Mark angeschafft wurden, kommt z.B. auch das Betriebsleiter-Büro des ehemaligen Technologie-Chefs unter den Hammer: Der voluminöse Chefschreibtisch aus Holz mit zwei Unterbauten, inklusive Rolldrehsessel (mit hochgezogener Rückenlehne), Beistellschrank und zwei Besucherstühlen. Vorgeschlagener Mindestpreis: DM 800. Die vorgelagerte Teeküche kommt für einen Tausender unter die Leute - inklusive Gläsern, Tassen und dem Privat-Kaffee der chef-umsorgenden Sekretärin. Aktenordner, Prospekte, Schmierpapier - jeder Schreibtisch geht nur komplett mit Stuhl und Inhalten an den Mann. Ohne Auktions-Nummer sind die dahinvegetierenden Pflanzenkübel geblieben: Nur vereinzelte Kakteen haben den Winter auf der Fensterbank überstanden. Auch die ehemaligen MitarbeiterInnen, die gestern noch einmal Abschied von ihrem bisherigen Arbeitsplatz nahmen, würdigten sie keines Blickes. Sie waren eher auf der Suche nach demontierten Werkzeugen, die sie in dem unüberschaubaren Wust wiederzuerkennen hofften.
ra
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen