: „Unsere Position ist völlig bedeutungslos“
■ Der Abgeordnete der Alternativen Liste, Bernd Köppl, kritisiert das Festhalten seiner Partei an der Zweistaatlichkeit / „Für Demokratie und Umweltschutz in einem geeinten Deutschland“ als neue Parole der Alternativen vorgeschlagen
Die Fraktion der Alternativen Liste zieht sich heute für vier Tage aufs Land zurück, um über ein Jahr rot-grüne Koalition Bilanz zu ziehen. In der Klausurtagung wird es auch um Deutschlandpolitik gehen, über die es innerhalb der Fraktion konträre Standpunkte gibt. Offiziell hält die AL immer noch am Grundsatz der Zweistaatlichkeit fest, tatsächlich wird aber angesichts der rasanten Entwicklung in den deutsch-deutschen Beziehungen in der Fraktion über einen Kurswechsel nachgedacht. Die taz sprach mit dem Abgeordneten Bernd Köppl über eine neue Deutschlandpolitik.
taz: Wo bleibt die AL innerhalb des Senats mit der Deutschlandpolitik? Bestimmend scheint nur noch Herr Momper, von seiten der AL gibt es nur ab und zu Protesterklärungen.
Bernd Köppl: Es gibt zwar innerhalb der AL eine mehrheitlich abgestimmte deutschlandpolitische Position, die ist aber durch die aktuelle Situation völlig ins Hintertreffen geraten. Wir bestehen weiter auf Zweistaatlichkeit, während der reale Prozeß sowohl von der DDR- als auch von der westdeutschen Bevölkerung eindeutig in Richtung Einstaatlichkeit läuft. Insofern ist unsere Position völlig bedeutungslos geworden.
Was bedeutet das in der Praxis: Wird die AL ihre Position verändern?
Es zeigt sich jetzt eindeutig, daß die DDR-Bevölkerung in der Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts sich in überwiegender Mehrheit für die Einheit entschieden hat. Die AL muß, wenn sie diesen Prozeß ernst nimmt, sich dazu bekennen und muß ihre Forderungen nach Demokratisierung und Umweltschutz in diesen Prozeß einbringen. Die neue Parole muß sein: Für Demokratie und Umweltschutz in einem geeinten Deutschland.
Wie schnell läßt sich so etwas umsetzen - eventuell gegen den Widerstand der Basis?
Die AL hat natürlich nachvollziehbare Schwierigkeiten. Wir haben bis zum 9.November die Zweistaatlichkeit verteidigt, und zwar aus übergeordneten Gründen - etwa dem Entspannungsprozeß. Alle Gründe, die damals gültig waren, sind jetzt entfallen. Die Entwicklung in der DDR heute ist ein Element des Entspannungsprozesses, und wenn im Rahmen dieses Entspannungsprozesses sich die Menschen für die Einheit entscheiden, können wir das nicht länger ignorieren. Wenn die Interessen auch der Sowjetunion gewahrt bleiben, ist dagegen nichts einzuwenden.
Ist das Verhalten der AL nicht symptomatisch für die deutsche Linke, die im entscheidenden Moment Nein sagt und dadurch jeder Möglichkeit enthoben wird, Einfluß zu nehmen auf aktuelle Prozesse?
Man darf nicht die Schwierigkeiten übersehen: Derzeit verbindet sich die demokratische Revolution in der DDR mit der Forderung nach Marktwirtschaft. Wir sind eine Gruppe, die in der Kritik an der Marktwirtschaft groß geworden ist, und hier geht nun ein demokratischer Prozeß, den wir unterstützen, einher mit der Verbündung mit den entgegengesetzten Kräften, und das ist sehr schwer für uns. Aber wir müssen erkennen, daß das Mittel gegen den Stalinismus und die Abschaffung seiner Relikte gerade die Marktwirtschaft ist. Das ist das Zaubermittel, um mit einem Schlag die gigantische Bürokratie zu beseitigen. Die ökonomische Situation in der DDR ist viel maroder, als alle lange Zeit geglaubt haben, und die Menschen haben keine nationale Identität mit dem Staat entwickelt. Dies hat die AL zu spät gesehen, wir haben zu lange dogmatisch die Zweistaatlichkeit verteidigt.
Was soll nun passieren?
Unsere Aufgabe wird sein, unsere Vorstellungen etwa im Bereich Verkehr, Ökologie, Hochschule, Soziales oder Arbeitsmarkt einzubringen, Leitlinien zu entwickeln für die große Stadt Berlin, die immer mehr zusammenwächst. Das ist auch eine große Aufgabe für einen rot-grünen Senat, und auch wir als kleiner Koalitionspartner haben da große Chancen, Dinge durchzusetzen. Berlin soll keine Banken- und Spekulationsmetropole werden, sondern wir müssen dafür kämpfen, daß es weiterhin eine lebenswerte Stadt bleibt.
Interview: Kordula Doerfler
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