: Akademie zieht nationale Karte
Albach möchte sich auch vereinigen ■ G A S T K O M M E N T A R
Man könnte es auch als Farce betrachten: Kurz vor ihrer Auflösung per Gesetz will die restaurierte „Akademie der Wissenschaften Berlin“ von den Früchten der DDR-Revolution ernten. Überall und auf allen Ebenen entwickeln sich wissenschaftliche Kontakte, blüht Kooperation - und nun soll ausgerechnet diese Institution, deren Politbüroallüren noch nicht vergessen sind, unentbehrlich sein, um in der Wissenschaft deutsch-deutsch zusammenzuarbeiten!
In den Gesetzgebungsprozeß zur Auflösung der Akademie platzt der Gedanke, eine „Konföderative Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin“ zu gründen, um in „weiterer Perspektive zu einer Vereinigung der Berliner Akademie der Wissenschaften mit der Akademie der Wissenschaften in der DDR“ zu kommen. Selbst wenn sich sonst kein einziges Gründlein für die Westberliner Elitegründung finden ließe dies wäre der lang gesuchte Grund, die Auflösung der Akademie zu stoppen.
Bei dem Versuch des Akademiepräsidenten Albach und der Gründerpartei CDU, mit der nationalen Karte ein bereits verlorenes Spiel doch noch zu gewinnen und Verwirrung in die Reihen von SPD und AL zu tragen, geht es allerdings nicht nur um die Erhaltung institutioneller Macht. Da sich in Ost und West wissenschaftliche Denkansätze und politische Weichenstellungen gegenseitig durchdringen, spielt „wissenschaftliche Politikberatung“ eine entscheidende Rolle. Die Westberliner Akademie versteht sich ausdrücklich als hervorgehobene Nominierungs- und Begutachtungsinstanz für wissenschaftliche Politikberatung. Es ist doch klar, daß die Aufnahme der Herren Wolfram Fischer, Hermann Lübbe, Hans Maier, Klaus Pinkau, Günter Spur in eine Deutsche Akademie der Wissenschaften einer Entscheidung in Richtung Modellexport in die DDR gleichkommen würde. Nachdem uns der Müll der wissenschaftlich-technischen Zivilisation des Kapitalismus bis zur Halskrause steht, sollen nun auch noch deren eifrigste wissenschaftliche Verteidiger darüber mitentscheiden können, wie es in der DDR weitergeht!
Es scheint in Deutschland schier unmöglich zu sein, sich die Zukunft anders als in Form von Staatstempeln vorzustellen. Darf man, in Zeiten nationaler Aufwallung, daran erinnern, daß sich die Herren Institutsdirektoren Kommunismus oder Kapitalismus hin oder her - schon immer untereinander besser verstanden als mit ihren jeweiligen Querdenkern aus dem Unter- und Mittelbau der Wissenschaft? Wenn nun der byzantinische Bau der DDR-Akademie aufbricht und dabei auch die kreativen Alternativansätze, die bisher ein Schattendasein führen mußten, eine Chance zur Entfaltung bekommen - warum sollen sie denn gleich wieder unter die wichtigtuerische Obhut und paternalistische Aufsicht eines gesamtdeutschen wissenschaftlichen Establishments genommen werden?
Wieland Elfferding
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