: Achtung, Steinschlag!
■ Volksbühne: Senat schafft Kulturchaos
Sie hat jetzt einmal wirklich unsere Unterstützung verdient: Anke Martiny, die Frau, die immer alles falsch macht, versteht es doch immerhin, die merkwürdigsten Fraktionierungen in der Stadt zusammenzubringen. Nach dem Motto: Auch beim Amoklauf ist Bewegung, und Bewegung ist Kultur. Nachdem vorgestern der Kompromißvorschlag der Kultursenatorin zur stufenweisen Entsorgung von Hans Neuenfels als Intendant des Theaters der Freien Volksbühne gescheitert war und der Senat beschlossen hatte, der Volksbühne den Geldhahn und Neuenfels die Leitung abzudrehen, poltern nun die deftigsten Presseerklärungen und bändeln sich die zartesten Allianzen: So schimpft die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Karen Greve, heftig auf den Senat (“... Armutszeugnis ... ausgerechnet Volksbühne... ausgerechnet jetzt“) steht dabei aber voll hinter ihrer Senatorin (“...praktikabler Kompromißvorschlag...“) und
-wg. alter sozialdemokratischer Fürsorglichkeit - hinter dem Betriebsrat (“... Verantwortung des Landes für technische Arbeitsplätze ...“). Dieser allerdings mag noch nicht einmal den Kompromiß und schreibt böse Briefe an die Senatorin (“...Zweifel an Notwendigkeit baubedingter Schließung ... 100 Arbeitsplätze in Gefahr...“) und weist darauf hin, schon lange gewarnt zu haben (“... schon Hassemer auf Vorgänge aufmerksam gemacht“), weshalb die Verknüpfung des Schicksals des Theaters mit dem des Intendanten „ein unfaires Junktim“ sei. Der kulturpolitische Sprecher der einst betriebsratsgewarnten CDU, Uwe Lehmann -Brauns, wiederum verteidigt nicht nur die Interessen der Theaterarbeiter („Junktim“ heißt bei ihm gleich „Sippenhaft“), sondern auch die des Arbeitertheaters (...Bühne Piscators...berühmteste Theatereinrichtung der Arbeiterbewegung...“) und fordert neben dem Neuenfels-Fall auch gleich noch die Senatorinnen-Umbesetzung. In dieser Ecke steht dann schon der Festspielintendant Ulrich Eckhardt bereit (“...Kulturpolitik nicht weitergehen...“), der selbst Finanzbalanceur - schon mal festhält, man könne einen Intendanten nicht „in die Nähe eines Bankrotteurs“ rücken, und ansonsten die „Drohgebärde in Wildwestmanier“ geißelt. Und so rollt die Neuenfels-Lawine grollend vor sich hin, und keiner will's gewesen sein - nicht Senat, nicht Martiny. Wer dann?
Gabriele Riedle
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