: G.G. in Stasi-Haft
■ Bremer forderte volle Rehabilitierung - und blitzte erstmal ab
Mit Einschreiben und Rückporto in original DDR-Briefmarken begehrt der Bremer Gerrit Guit seine Rehabilitierung. Er möchte
Plakate wiederbekommen, die ihm vom Ministerium für Staatssicherheit 1959 entwendet wurden. Und er möchte eine Aufhebung eines Urteils gegen ihn erreichen, durch das er 1959 zu einer Gefängnisstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt wurde.
Guit hatte damals, so steht es in dem alten Urteil, „Hetze gegen einen Bürger unseres Arbeiter -und Bauern-Staates, nämlich gegen den 1. stellvertretenden Ministerpräsident und ersten Sekretär der Arbeiterpartei, Walter Ulbricht, Hetze betrieben“. (Verdopplung des Wortes HETZE im Urteils -Original)
Guit, der als Holländer in die DDR übergesiedelt war, hatte nach den Feststellungen der Gerichtes „wenige Tage vor dem 1. Mai in aller Offenheit“ dafür geworben, „am 1. Mai, dem Kampftag der Arbeiter, unter der Losung Weder Ulbrichtheer noch Bundeswehr zu demonstrieren.“ Zudem war er öffenlich - der
Ansicht, die Soldaten der Nationalen Volksarmmee verdienten zu wenig. Der Angeklagte, hatte damals das Gericht in aller Form festgestellt, agitierte gegen die DDR und „hörte nicht mehr den demokratischen Rundfunk, sondern die Hetzsendungen westlicher Rundfunkstationen“. Er habe mit der Verbreitung „pazifistischer Losungen“ auf das „Bewußtsein vieler junger Menschen negativ eingewirkt“ und sei „unbelehrbar“. Mitstreiter Guits erhielten bis zu 6 Jahren Haft, der Holländer immerhin 21 Monate
Gefängnis nach Paragraf 19 des Strafgesetzbuches: staatsfeindliche Hetze und Propaganda. Das Gericht begründete seine Milde: „Nur mit Rücksicht darauf, daß der Angeklagte erst wenige Monate die gesellschaftlichen Verhältnisse in unserem Staat kannte und er in einem kapitalistischen Staat erzogen wurde, wurde keine höhere Strafe ausgesprochen.“
Das Bezirksgericht Neubrandenburg schickte nun dem inzwischen in Bremen ansässigen unbequemen Pazifisten einen Bescheid, das Urteil könne nicht kassiert werden, da es „nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht und deshalb nicht zu kassieren ist.“ Seit Wochen steht Guit in regem Briefkontakt mit verschiedenen offiziellen Stellen in der DDR, aber auch sein Angebot, selbst in den Räumen der Staatssicherheit Neubrandenburg nach seinem 1959 beschlagnahmten Plakat zu suchen, wurde nicht positiv beschieden.
K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen