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Gift in der Gehörlosenschule

■ Behörden suchen „Emittenten“ und empfehlen: Fenster auf / Eltern: „Wir sind verschaukelt“

„Wir Eltern fühlen uns von den Behörden verschaukelt. Einige Eltern, die jetzt erst von den Gefahren für die Gesundheit ihrer Kinder erfuhren, haben uns vergangene Woche gedroht, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen.“ William Werk, Schulelternsprecher der Schule für Gehörlose und Schwerhörige mit angeschlossenem Kindergarten in der Marcusallee, will jetzt die „Geheimniskrämerei“ und die mangelnde Informationsbereit schaft der Behörden nicht mehr hinnehmen.

Vor über einem Jahr, am 14.12.1988, hat die „Bremer Gesellschaft für Angewandte Umwelttechnologie“ im Kindergarten und in einigen Schulräumen der Sonderschule unzulässig hohe Formaldehyd-Werte festgestellt. Gerufen wurde das Institut, weil Lehrer, die in bestimmten Räumen unterrichteten, übermäßig oft wegen Erkältungen krankgeschrieben wurden, so der Elternsprecher. Denn Formaldehyd reizt die Schleimhäute. „Auch unsere Kinder sind oft erkältet“, betont Werk. Der Schulleiter will dies nicht bestätigen.

Die Analysen ergaben u.a.: 0,12 mg/cbm in Raum 9 des Kindergartens, 0,19 mg/cbm in den Räumen 220 und 220a der Schule und damit eine Überschreitung des vom Bundesgesundheitsamt empfohlenen Grenzwertes für Innenräume. Heiko Helms, der Leiter des untersuchenden Instituts, stellte fest: „Auch für erwachsene Beschäftigte ist eine Grenzkonzentration von 0,12 mg/cbm zu unterschreiten. Dies gilt insbesondere für Kinder. Darüber hinaus besteht der Verdacht eines

krebserzeugenden Potentials sowie nachgewiesenermaßen einer Sensibilisierung durch Formaldehyd. Da es sich bei den Risikofaktoren um Langzeitwirkungen handelt, gilt ein besonderes Vorsorgeprinzip für Kinder. Vor allem in den obengenannten Räumen sind geeignete Sanierungsmaßnahmen durchzuführen.“

Diese Ergebnisse und Empfehlungen wurden allerdings weder der Schulleitung noch dem Lehrkörper oder den Eltern der SchülerInnen umgehend vorgelegt. „Uns wurden dieser Bericht und die Ergebnisse einer weitergehenden Materialuntersuchung erst im Dezember 89 zugespielt“, berichtet der Elternbeirat. Und

Schulleiter Büscher gesteht: „Wir haben die Ergebnisse nur der Tendenz nach übermittelt bekommen.“ Die Materialuntersuchungen, in denen Schränke, Bodenbelag und Decken als Verursacher der Formaldehydbelastung vermutet wurden, waren dagegen schon im Februar und April durchgeführt, die Ergebnisse im Mai 1989 dokumentiert und der Bildungsbehörde zugeschickt worden. Elternsprecher Werk: „Bis jetzt ist in den Räumen lediglich gelüftet worden. Von einer geeigneten Sanierung kann keine Rede sein.“

Manfred Büscher, der Leiter der Schule mit über 170 schwerhörigen Kindern, ergänzt: „Die

Meßwerte sind von diversen Leuten angezweifelt worden. Die Behörde sucht jetzt nach den Baustoffen, die als Emittenten infrage kommen. Die offenen Spanplatten-Flächen an den Schränken wurden versiegelt.“ Erst wenn die übrigen Baustoffe „entsättigt“ seien, sollen Vergleichsmessungen prüfen, ob die Formaldehyd-Abgasung dadurch gesenkt werden konnte.

Der Bildungssenator hatte der Schule geraten, bis zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen „für eine gute Durchlüftung der Räume Sorge zu tragen, so daß eine Anreicherung der Räume mit Formaldehyd vermieden wird.“

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