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Nachruf auf die M-Bahn

■ Taz-Autorin Olga O'Groschen wollte noch einmal M-Bahn fahren/Verlegung nach Winsen an der Luhe?

Am Samstag nachmittag war es endlich soweit: die M-Bahn mußte ihren Betrieb einstellen. Die Bahnhöfe wurden schlicht abgeschlossen, an die Türen ulkige Schildchen gehängt: „Zur Zeit keine Mitfahrgelegenheit“. Hunderte von Touristen rückten enttäuscht wieder ab, einige Ostler murrten deprimiert etwas von „pure Schikane“ und „mit uns kann man es ja machen“. Was war los? Warum versagte das technologische Wunderwerk seinen Dienst? Ein weiterer Bahnhofsdurchbruch wie vor zwei Jahren? Eine geschickte Aufforderung zur Pkw-Benutzung und Fußgängertum? Oder einfach kein Bock mehr?

Schweigen am Gleisdreieck und an der Bernburger Straße. Am Kemperplatz öffnete auf mehrmaliges Klopfen ein verschämt grinsender Mann und murmelte „ein kleines technisches Problem, da klemmt eine Tür... hähä... nichts Schlimmes...“, während eine resolute Dame im Hintergrund blaffte, das könne schließlich jedem mal passieren. Doch wieso bricht gleich der ganze Fahrbetrieb zusammen, wenn eine Tür klemmt? Verlegenes Hüsteln, betretene Mienen.

Nun muß die M-Bahn wahrscheinlich der Ost-West-U-Bahn zwischen Pankow und Krumme Lanke weichen. Und seien wir doch ehrlich: Kein Berliner hat die M-Bahn je ernsthaft benutzt. Die vollmundigen Werbesprüche „Ein absolutes Erlebnis“, „Als wennste auf Butter fährst“ und „Super! So leise... toll!“ konnten durch eigene Fahrstudien und Fahrgastbefragung nicht bestätigt werden. Die Kabinen sind eng und ungemütlich, man sitzt auf ungenügend abgepolsterten Bänken. Das Abkippen der Wagen in den Kurven verursacht bei vielen eine Art Seekrankheit. Und von Schweben kann gar keine Rede sein: Beim Passieren der Weichen rasselt die Bahn wie jede stinknormale U-Bahn und auch sonst ist das Räderscharren nicht zu verleugnen. Viele Fahrgäste fanden die Bahnhöfe recht „mickrig“ und „öde“. Kein brüllender Zugabfertiger, keine Kioskrentnerin, keine Waagen („Oftmals sich wiegen und danach leben wird Dir lange Gesundheit geben“), noch nicht einmal aufmunternde Reklameposter. „Man kommt sich hier doch etwas verloren vor“, bemängelt eine Dame mit Pudel. Daß man permanent von unzähligen Videokameras überwacht wird, ist den einen beruhigende Gewißheit, den anderen jedoch unwillkommene Kontrolle. Den Gesamteindruck der M-Bahn bringt ein Tourist aus Hannover auf den Nenner: „Wenn dies hier das öffentliche Verkehrssystem der Zukunft sein soll... armes Deutschland“.

Die Frage, ob man die M-Bahn mit ihren drei Stationen jetzt woanders hinstellen oder den ganzen Krempel einfach wegschmeißen soll, beschäftigt die wenigsten Gemüter. „Na, wenn sie hier weg muß, dann irgendwohin, wo sie niemand sieht“, überlegt jemand, „vielleicht auf den Teufelsberg, für Skifahrer.“ „Quatsch, verschrotten, einfach verschrotten“, mischt sich ein junges Fräulein ein. Da wir als Kinder aber gelernt haben, kein Spielzeug wegzuwerfen, nur weil wir ein neues bekommen, wäre dies die unsauberste Lösung. Andererseits führt die notwendige Aufständerung der M-Bahn zu einer unliebsamen Verschandelung jeder Gegend, ob es nun das Tegeler Fließ, ein Lichterfelder Acker oder das Düppeler Grenzgebiet wäre. Eine Verwendung der Bahn als Adventure-Train in einem Freigehege des Zoologischen Gartens kann mit Rücksicht auf empfindliche Tiere nicht in Frage kommen. Am sinnvollsten scheint uns, die Bahn an eine Gemeinde in der DDR zu verschenken, oder sie an eine westdeutsche Kleinstadt zu verkaufen. Zum Beispiel Winsen an der Luhe. Die Leute dort haben wenig Abwechslung und könnten fortan immer drei Stationen durch ihren Flecken fahren, hin und her, mit automatischer Stationsdurchsage, geringem Energieverbrauch und breiten Schwenkschiebetüren. Wenn die nicht klemmen.

Olga O'Groschen

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