: Eiertanz ums Embryonenschutzgesetz
■ Bei einem Hearing des Westberliner Senats zur „Fortpflanzungsmedizin“ prallten die Argumente aufeinander
Diese Anhörung ist nur eine Scheindebatte“, kritisierte eine Zuhörerin in den hinteren Reihen das vom Berliner Senat anberaumte Hearing zum Thema Fortpflanzungsmedizin. „Die Forschung ist so schnell, daß die Gesetzesvorlage schon Makulatur ist“, war ihr resignierter Kommentar am Ende der kontroversen Podiumsdiskussion. Feministische Kritik - die prinzipielle Ablehnung der Reproduktionstechnologie - und die Befürworter und Betreiber dieser Methode standen sich gegenüber.
Der Berliner Senat hatte Ende letzter Woche zu der Anhörung ins Rathaus Schöneberg geladen, um medizinische, rechtliche und ethische Fragen, die das geplante „Embryonenschutzgesetz“ aufwirft, öffentlich zu verhandeln. Kurz: um sich fit zu machen für die anstehende Beratung des Gesetzes in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages. Doch neben der geballten Fachkompetenz, die auf dem Podium Platz genommen hatte (darunter Prof. Dr. Lübke, Leiter des Auguste -Viktoria-Krankenhauses, eine der drei IVF-Kliniken in West -Berlin, eine Mitarbeiterin von Pro Familia und VertreterInnen der Kirchen), nahm sich die „Öffentlichkeit“ eher klein aus. Denn wer hat schon, so die Kritik aus den Zuschauerreihen, unter der Woche eineinhalb Tage Zeit, im Rathaus zu sitzen.
Verabschiedet der Bundestag die Gesetzesvorlage zum Embryonenschutzgesetz - was noch in dieser Legislaturperiode geschehen soll -, so hat die Bundesrepublik die restriktivsten Vorschriften in puncto Fortpflanzungsmedizin in Westeuropa. Zur Erinnerung die wesentlichen Punkte dieser Vorlage: Die Forschung an Embryonen ist ebenso wie die Leihmutterschaft und die Erzeugung genetisch identischer Menschen verboten. Umstritten ist immer noch, ob die künstliche Befruchtung der Frau nur mit dem Samen des Ehemannes (homologe Insemination) oder auch mit dem Samen eines Dritten (heterologe Insemination) erlaubt werden soll. Doch vor der immer unberechenbareren Reproduktionstechnologie - dem Schreckgespenst des im Glas gezüchteten Menschen - schützt der Entwurf nicht. Das Gesetz biete für Genforscher immer noch genug Lücken, kritisierte Sylvia Groth vom Feministischen Frauen-Gesundheitszentrum (FFGZ) in West-Berlin den Entwurf. „Einerseits wird gesagt, es darf keine Embryonenforschung stattfinden, andererseits aber werden bestimmte Möglichkeiten für Embryonenforschung in der Vorlage offengelassen.“ Es finge damit an, daß ein Embryo nur als solcher definiert wird, wenn er entwicklungsfähig ist. Das heißt an Embryonen, die als nicht entwicklungsfähig gelten, kann weiter geforscht werden. Heute sei es außerdem bereits möglich, an einem Embryo, wenn man ihn nicht sofort in die Gebärmutter zurückverpflanzt, schon bestimmte Stoffwechselprodukte zu erkennen. Denn der Embryo produziere bestimmte Amminosäuren, aus denen man mittlerweile Rückschlüsse auf Chromosomen und auch bestimmte Gene ziehen könne - und somit auch auf bestimmte Krankheiten. So könne die Genforschung, die an den Embryonen verboten ist, durch die Hintertür an der Stoffwechselproduktion weiter betrieben werden, so die Erläuterungen von Sylvia Groth. In Australien beispielsweise arbeite man bereits daran.
Paragraph für Paragraph kämmten die feministischen Kritikerinnen die Gesetzesvorlage auf Lücken und Fallen durch. Im Zentrum der fast zweitägigen Debatte stand die In -vitro-Fertilisation (IVF) als Behandlungsmethode gegen Sterilität. Dem unerfüllten Kinderwunsch von Frauen müsse Rechnung getragen werden. Es sei Aufgabe der Medizin, dabei zu helfen, rechtfertigten die Mediziner ihren Forscherdrang. Knapp brachte es einer aus ihren Reihen auf den Punkt: „Eine Frau ohne Kind ist wie ein Auto ohne Räder.“ Die Kritikerinnen der Fortpflanzungsmedizin gaben zu Bedenken, daß der Kinderwunsch hinterfragt werden müsse; denn für eine Frau gäbe esdurchaus noch andere Lebensperspektiven als die der Mutterschaft. Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch müsse vielmehr in Beratungsgesprächen der gesellschaftliche Druck genommen werden, der auf ihrer Kinderlosigkeit lastet. Außerdem sei der Schluß, die Medizin biete Abhilfe für jedes Leiden, trügerisch. So ist erwiesen, daß die zeitraubende und schmerzhafte Prozedur einer In-vitro-Fertilisation lediglich eine Erfolgsrate zwischen acht und elf Prozent aufweist. Die Nebenwirkungen der Hormonbehandlung sind beträchtlich: verfrühte Wechseljahre, Eierstockkrebs oder vergrößerte Eierstöcke, um nur ein paar zu nennen. Mehrlingsschwangerschaften und daraus resultierende Frühgeburten sind für die Frauen eine enorme Belastung, und das ganze Verfahren ist eine einzige Quälerei.
Regina Röring vom FFGZ gab zu bedenken, daß nur ein Verbot der In-vitro-Befruchtung diesen Eiertanz beenden könne, „denn der beste Schutz des Embryos ist ein Schutz der Frau. Embryonen gibt es nämlich nur, wenn die Frau sie hat.“ Aber mit der Trennung von Embryo und Mutter werde das Embryo zu einem Subjekt erhoben, das in der Natur gar nicht existiere. Wenn statt dessen festgeschrieben würde, daß der Embryo Teil der Leiblichkeit der Frau ist und er erst gar nicht aus ihr herausgenommen würde, „dann bräuchte man gar kein Gesetz“, so Regina Röring.
Doch mit einem Verbot der In-vitro-Befruchtung ist nicht mehr zu rechnen. „Ich bin der Meinung“, sagte auch Prof. Dr. Lübke, „daß man In-vitro-Fertilisation nicht mehr verbieten kann.“ Und wenn man sie verbieten würde, so würde sie zu hohen Preisen „hintenrum“ dennoch gemacht. Kinderwunsch oder Erfolgsquote sind den Gentechnikern bei der In-vitro -Befruchtung aber ziemlich egal, denn ihnen geht es ums Experimentieren.
Michaela Eck
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