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Singers Theorien-betr.: "Die Diktatur der Dummheit im Dienste des Lebens", "Gegen eine miß'verstandene Philosophie", taz vom 13.2.90

betr.: „Die Diktatur der Dummheit im Dienste des Lebens“, „Gegen eine mißverstandene 'Philosophie'“, taz vom 13.2.90

Gleich Herrn Bröckers halte ich es für falsch, eine Diskussion über die Singerschen Gedankenspielereien zu verbieten. Denn gerade die Be- und Verarbeitung solch grausamer Vorstellungen, die nun einmal Bestandteil des menschlichen Vorstellungsvermögens sind, ermöglichen es, deren Lebensfeindlichkeit zu entlarven.

Doch wie Frau Schmitter es andeutet, meine ich, wir sollten nicht auf den Singerschen Etikettenschwindel hereinfallen und eine persönliche Problembewältigungsstrategie mit einem Allgemeingültigkeitsstempel aufwerten!

Vor einiger Zeit stellten amerikanische PsychologInnen bei einer Befragung von Überlebenden des Holocausts sowie Angehörigen von Hingemetzelten fest, daß diese paradoxerweise Schuldgefühle darüber hatten, daß ausgerechnet sie dem deutschen Massaker entkommen waren.

Da ich von theoretischem Wissen über die Universitätsdisziplin Philosophie soweit frei bin, daß ich in meinem Kopf noch keine verkürzende Stichwortdateien anlegen mußte, deren Standardrepertoire auf gewisse Reizworte (Ethik) abrufbereit sind, gehe ich bei dieser Kontroverse mehr von den inhaltichen Reizen aus, die mir in diesem Fall den Eindruck vermitteln, daß Herr Singer seine persönliche psychologische Befindlichkeit auf eine dem Hauptmann von Köpenick vergleichbare Weise instrumentalisierte - und zwar mit offensichtlich dem gleichen Erfolg.

Ich glaube, daß der männlich-christliche Perfektionswahn und die dadurch ausgelösten Ängste nur dann überwunden werden können, wenn wir erkennen, daß ja nicht eine Idee (Glück, Freiheit, Paradies) die Essenz unserer Existenz ausmacht, sondern die einfache Tatsache, daß wir leben!

Christine Liermann, Koblenz

Mathias Bröckers hält sich für klug, weil er auch über unmenschliche Thesen diskutiert. Dabei entblödet er sich, als Unmenschen hinzustellen, wer die Verbreitung solcher Thesen schon im Ansatz zu verhindern sucht. Und sieht nicht nur nicht als dumm, die Entscheidung über sein Leben in fremde Hände zu legen und Gen-Technologie „weise“ zu „Verbesserung des Menschengeschlechts“ anzuwenden, sondern maßt sich dazu noch das Urteil an, „niemand“ hätte etwas dagegen. Dem ist entschieden zu widersprechen!

Christian Horz, Hamburg

Genau darin, Singers Buch als „diskutierbar“ einzustufen, liegt beziehungsweise lag das Problem doch schon lange nicht mehr! Diese, so scheint's, für unsere Gesellschaft so sinnvolle Aufgabe übernahmen schon vor Monaten Organe, die sich wohl vor allem an die „humanistisch gebildeten“ Gesellschaftsschichten wenden, insbesondere die 'Zeit‘.

Die in der taz vom 6.2. beziehungsweise 13.2. abgedruckten Beiträge leisteten nun nur noch ein übriges, das Buch für möglichst viele LeserInnen interessant zu machen. Anstatt die Propaganda dafür konsequent weiterzutreiben, indem man/frau mit großteils völlig unqualifizierten Argumenten ringt, Recht zu bekommen - der eine weiß, wie er sich „nach dem Unfall als schwachsinniger Krüppel fühlt, die andere definiert eigens die Philosophie neu, um deren VertreterInnen dann der Metaphysik beschuldigen zu können sollte Energie doch wirklich dort eingesetzt werden, wo sie, treffen die Erwartungen der einen Partei ein, auch notwendig wird: was für negative Konsequenzen sind von der Wirkung des Buches zu erwarten? Wie kann man/frau sie verhindern beziehungsweise wie ist ihnen entgegenzutreten?

Georg Bleicher, Bielefeld

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