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„Da müßt‘ ich ja schon längst tot sein...“

■ ...meint die Klofrau aus dem Palast der Republik zum Thema Asbestverseuchung Die gefährlichen Fasern sind in der DDR noch ein weitgehend unbekanntes Problem

„Die Leute haben doch jetzt wirklich anderes im Kopf“, ärgert sich die Palast-Klofrau und zählt zum dritten Mal die Münzen auf dem Porzellanteller. „Ach, ich geb nichts auf Gerüchte“, wehrt sie säuerlich ab. „Ich arbeite hier schon ein Leben lang, hab auch im Großen Saal geputzt, da müßte ich ja schon längst tot sein.“ Die taz hatte es am Freitag gemeldet: Der Palast der Republik ist asbestverseucht. „Voll informiert“ seien die Palast-Mitarbeiter, behauptete die Direktion des Prunkbaus. „Asbestverseucht, unser Palast? Nee, das hören wir zum ersten Mal.“ Aber es scheint die Damen von der DDR-Post auch nicht sonderlich zu beeindrucken.

„In West-Zeitungen“ habe er schon gelesen, „was das mit dem Asbest so auf sich hat“, meint ein Saalordner, „die haben ja drüben ganze Schulen dichtgemacht.“ Aber eigentlich glaube er nicht, daß das so schlimm sein könne, denn schließlich hätten ja auch die ganz 'hohen Tiere‘ immer hier getagt.

Die Ton- und Lichttechniker, die am stärksten von der Asbestpest gefährdet sind, wissen besser Bescheid. „Als ein Artikel über Asbest in der Zeitschrift 'Deine Gesundheit‘ war, haben wir zum ersten Mal Druck gemacht“, erzählt ein junger Techniker. Daraufhin seien dann die Asbestwerte gemessen worden. „Die Messung war ein totaler Lacher. Die haben in der Nacht gemessen, ohne daß die Lüftung lief oder die Scheinwerfer an waren. Die haben das vollkommen verfälscht“, ereifert sich der junge Mann. Und von der letzten Messung, die schon drei Monate zurückliegt, sind noch immer keine Ergebnisse bekannt. „Wir glauben, daß der ganze Palast so verseucht ist, daß es nie an die Öffentlichkeit kommen wird. Was meinst Du, wieviele dann von uns gehen?“

„Da drüben bei euch machen sie die Schwimmbäder zu, und uns wird hier der ganze Dreck beim Essen ins Gesicht geblasen“, ärgert sich der junge Mann. Früher hätten die Chefs immer nur von der 'Feuerschutz-Ummantelung‘ gesprochen. „Wenn wir uns beschwert haben, haben die uns immer nur gesagt, 'geht doch raus auf die Straße, da kriegt ihr auch 'ne Menge Gift ab.'“ Im Palast der Republik gäbe es keine Lüftung, die Frischluft zuführt, meint der Techniker, „die Anlage bläst nur die alte, asbestverseuchte Luft von einem Raum in den anderen. Das Zeug wirbelt hier überall rum“, sagt der Techniker.

Im Großen Saal, in dem auf Großveranstaltungen bis zu fünftausend Gäste unterkommen, seien bereits vor Jahren gefährliche Asbestkonzentrationen gemessen worden, wissen Palast-Mitarbeiter. Und ob die jungen Mädchen, die auf der Bühne eben eine Ballettvorführung einstudieren, von der Gefährlichkeit des Palastes gehört haben?

Julia Schmidt

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