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Cheney setzt Japan unter Druck

Wegen wachsender Wirtschaftskonflikte zwischen Japan und den USA stellte der Pentagon-Chef gemeinsames Sicherheitbündnis in Frage / US-Truppen in Japan um 10 Prozent werden reduziert  ■  Aus Tokio Georg Blume

„Unser Verhältnis ist komplex und verschlungen. Beide Nationen haben davon profitiert.“ Pentagon-Chef Dick Cheney, der gestern nach einer zweiwöchigen Pazifik-Reise in Japan Station machte, hielt mitten in seiner Rede vor dem Tokioter Presseclub inne, um plötzlich einen härteren Tonfall anzuschlagen: „Aber die wachsende handelspolitische Spannung zwischen unseren Ländern und fortwährende Handelsungleichgewichte können, wenn dem nicht vorgebeugt wird, auf andere Bereiche von beiderseitigem Interesse übergreifen.“ Deutlicher hat bisher noch kein US -Verteidigungsminister das Sicherheitsbündnis mit Japan in Frage gestellt.

Die Drohgebärde des Pentagon-Chefs erfolgte, nachdem gemeinsame Handelsgespräche am gleichen Tag gescheitert waren (s. Seite 11). Es blieb am Freitag offen, ob man Cheneys Worte als tagespolitische Notiz oder als neuen Grundsatz für die Japan-Politik der USA verstehen darf. Bisher hatte die Bush-Administration betont darauf verzichtet, die wirtschaftlichen Streitpunkte zwischen beiden Ländern mit militärischen Fragen zu verknüpfen. Doch nun bietet die US-Truppenpräsenz auf Japan ein starkes Druckmittel in Verhandlungen mit der Tokioter Regierung.

Während seines Japan-Aufenthalts kündigte Cheney an, die US -Truppenstärke auf der Insel um etwa 5.000 Mann (ca. 10 Prozent) innerhalb von zwei bis drei Jahren zu reduzieren. Ein vergleichbarer Truppenrückzug ist auch in Südkorea geplant. Insgesamt sollen die US-Truppen in Asien um 12.000 Soldaten verringert werden. Gleichzeitig machte Cheney jedoch klar, daß es sich hierbei um rein finanzielle Einsparnisse handele, die weder die pazifische Militärstrategie noch die Kampfstärke der US-Truppen berühren. Mit anderen Worten: Von einem Abrüstungsprogramm im Pazifik ist nicht die Rede. So sah es auch der Sprecher des sowjetischen Außenminsteriums, Gennadi Gerassimow. Er betonte während einer Pressekonferenz in Tokio, daß das primäre Ziel der US-Truppen-Kürzung die Modernisierung der Streitkräfte sei.

Tatsächlich weigert sich die Bush-Administration bisher standhaft, mit dem sowjetischen Partner in Verhandlungen über die massive militärische Präsenz beider Supermächte im Pazifik zu treten. Das haben die USA vor allem deswegen nicht nötig, weil keiner der Verbündeten in Fernost sie dazu auffordert. Einzig auf den Philippinen wehrt sich die Aquino -Regierung unter innenpolitischem Druck gegen eine allzu starke US-Präsenz. Nicht zuletzt diese Kritiklosigkeit der Verbündeten dürfte Cheney dazu ermuntert haben, gestern in Tokio einen starken Abgang zu wagen.

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