Sind Maschinen Männerphantasien?

■ „Ich Mensch - Du Maschine“: ein Symposium über die Geschlechtlichkeit der Technik

„Wie männlich ist die Maschine?“ war der Titel des Vortrags von Dr. Renate Genth und direkt anschließend wurde in Peter Kriegs Dokumentarfilm „Maschinenträume“ behauptet: „Alle Maschinen sind weiblich, denn sie sind manifestierte Männerphantasien.“ Manchmal hat man dieses Glück auf Symposien, und die aufeinanderfolgenden Beiträge kommentieren einander. Renate Genth sprach von der Maschinenwelt als phallischer Kontrollphantasie, und in Kriegs Film waren nur Männer zu sehen, die Geräte bedienten, erklärten oder analysierten.

Genth unterschied zwischen dem mechanischen Maschinendenken - konservativer und quasireligiöser Fundamentalismus mit den typischen Ausformungen Bürokratie und Militär - und den zunehmenden kybernetischen Systemen, die für sie nicht so eindeutig männlich einzuordnen sind, weil bei ihnen das Spielen und die partnerschaftliche Arbeit mit der Maschine möglich werden und außerdem brachiale Gewalt am Computer völlig fehl am Platze ist. Wenn vorher ihre Ausführungen sehr abstrakt gewesen waren, konnte sie diese Thesen durch Daten aus ihren Interviews

mit Computerbenutzern belegen. Ihr Horror bei den neuen Technologien: die Möglichkeit, daß die Realität so zurechtgestutzt wird, daß sie der Simulation angepaßt wird.

Krieg macht in seinem Film die gleiche Zweiteilung: Im ersten Teil zeigte er Bilder vom Drill der Rekruten der US Marines, Gefängnisse oder ein Kloster; alles Einrichtungen, mit denen versucht wurde, Menschen den Maschinen anzugleichen. Im zweiten Teil dann viele moderne Maschinen als Spielsachen oder Kunstwerke, die als Wunschträume den Alpträumen der Vergangenheit entgegengesetzt werden. Eine Flut von diesen Bildern der Technik zwischen Phobie und Manie, zwischen Angst und Hoffnung lassen den Film manchmal schwer verständlich und überladen wirken, aber er ist ein faszinierendes Bilderbuch, in dem man Entdeckungen machen kann: Ich hatte zum Beispiel noch nie eine Tretmühle gesehen, auf der Gefangene sinnlos den Tag über aufwärts steigen müssen - nur, um die Maschine Mensch laufen zu lassen.

Nach dem Film mußte leider der Tagesmoderator Dr. Friedwart Maria Rudel „ein paar Über

legungen zum Zusammenhang zwischen Traum und Maschinen“ vortragen. Sie erwiesen sich als eine eilig angelesene Zitatsammlung mit viel Anspruch und wenig Tiefgang, von der Bibel bis zu Freud, und bei der nachfolgenden Diskussion mit Peter Krieg wurde darüber sehr schnell der gnädige Mantel des Vergessens gebreitet. Rudel blieb nur noch die Frage: „Ja, wie haben Sie ihren Titel denn dann gemeint?“, und dann wurde das Gespräch von kompetenteren Teilnehmern übernommen. Das waren meist die ande

ren Mitwirkenden des Symposions, und nach einigen erhellenden Erklärungen Kriegs wurde die Diskussion zu einer für Außenstehende kaum zu verstehenden Fachsimpelei. Als von „metazirkulären Interpretern“ gesprochen wurde, schrieb ich gerade ein abschließendes „non capisco“ auf meinen Notizzettel, und dann gab es doch noch eine schöne Pointe: eine Zuhörerin (! ) rief plötzlich völlig unsachlich den Rednern (!) zu: „Jungs, ihr seit verdammt klug.“

Wilfried Hippen