: Blaue Albatros-Reisen für Alle
■ Verein bietet Urlaubsreisen für Behinderte an / Reisen als Recht für alle
Das Bild vom Albatros ist eine liebevolle Allegorie: Der König der Lüfte ist - so schön er auch fliegt - auch der König der Bruchlandung. Die blaue Farbe, die der Verein für sein Namenstier gewählt hat, spielt auf diverse Psychiatrieprojekte an: Blaumeier Atelier und Blaue Karawane.
Der Verein „Blauer Albatros e.V.“ kümmert sich um die Reisebedürfnisse behinderter Menschen. Bereits knapp ein Jahr nach Gründung ist es den zehn aktiven Mitgliedern gelungen, einen Reisekatalog mit spezifischen Angeboten für Behinderte zu entwickeln. Von einer 12-tägigen Städtetour Paris-Loire (1.400 Mark) bis zum Badeurlaub im italienischen St. Felice (1.33 Mark) reicht die Palette. Geboten werden behindertengerechte Verkehrsmittel, Unterbringung, Verpflegung, ein spezielles Freizeitangebot und natürlich Pflege-und Hilfskräfte. Die Reisen sind nicht wesentlich teurer als vergleichbare aus der Touristenbranche.
„Billigreisen“ können behinderte Menschen nie. Sie brauchen Spezialbusse, rollstuhlgerechte Unterkünfte und bestimmte infrastrukturelle Vorraussetzungen: In St. Felice beispielsweise, ei
nem italienischen Badeort, reicht eine Betonrampe bis in die kühlen Fluten des Mittelmeeres, um auch RollstuhlfahrerInnen die Gelegenheit zum Baden anzubieten. Viele Reiseveranstalter schrecken vor den Bedürfnissen der Behinderten zurück: TUI, größter Reiseveranstalter der Bundesrepublik, hat ein entsprechendes Angebot im letzten Jahr aus dem Programm genommen. Deshalb erschließen jetzt Kleinunternehmer oder Selbsthilfegruppe wie der Blaue Albatros aus Bremen Reisemöglichkeiten für Behinderte.
Die Vorbereitungen für jede einzelne Reise sind langwierig: Der Verein muß vor Ort jeweils die Bedingungen prüfen, Preise kalkulieren und die nötige TeilnehmerInnenzahl organisieren. Konzeptioniert sind die Reisen jeweils für „gemischte Gruppen“: Körperbehinderte reisen mit Geistigbehinderten reisen mit psychisch Kranken reisen mit Gesunden. So wird verhindert, daß die spezifischen Behindertenangebote zur Gettoisierung führt.
Auch wenn die Reisen im Verhältnis zu herkömmlichen Touristik-Trips nicht viel teurer sind: Auf behinderte Menschen kommt da ganz schön was zu. Die Unterstützungen aus dem Behörden
dreieck Sozialamt, Versorgungsamt und Krankenkasse sind durchgängig spärlich, Zusatzunterstützungen gibt es kaum. Vereinsmitglied Hermann Munzel: „Die Bestimmungen, die es für entsprechende Reisekostenzuschüsse gibt, sind alles Kann -Bestimmungen“, die Behörden wendeten sie so gut wie nie an. Die erste für April geplante Reise in die Toscana scheiterte an den mangelnden Finanzen einer TeilnehmerInnengruppe: Weil sieben Menschen die Unterstützungen nicht gewährt bekamen, mußte die ganze Gruppe zu Hause bleiben. ma
Kontaktadresse:Hermann Munzel, Parkstraße 96
Der Verein Blauer Albatros führt heute im Bürgerhaus Weserterassen eine Veranstaltung zum Thema „Reisen für Alle
-Utopie oder Wirklichkeit“ durch. Videos, Referate und Diskussion beginnen um 14.30 Uhr.
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