: Die dreizehnjährige Tennismillionärin
Jennifer Capriati gewann nicht ihr erstes Profiturnier ■ PRESS-SCHLAG
Ein bißchen groß waren sie schließlich doch, die Fußstapfen ihrer Mentorin Chris Evert, in die Jennifer Capriati so gerne treten möchte. Da nützte auch das goldene Armband nichts, das die im letzten Jahr abgetretene Spezialistin für lange Ballwechsel ihrer designierten Nachfolgerin als Talisman geschenkt hatte. Chris Evert hatte, ebenso wie Tracy Austin und Kathy Horvath, ihr erstes Profiturnier auf der Stelle gewonnen, für Capriati war im Finale von Boca Raton/Florida die 20jährige Gabriela Sabatini Endstation just jene Spielerin, die sie zuvor als jüngste Finalteilnehmerin in der Geschichte des Profitennis abgelöst hatte. Sabatini hatte das Finale von Hilton Head mit 14 Jahren und elf Monaten erreicht, Jennifer Capriati feiert am 29.März erst ihren vierzehnten Geburtstag. Nur Steffi Graf war mit 13 Jahren und vier Monaten jünger, als sie ins Profigeschäft einstieg.
Gabriela Sabatini hatte dem Match gegen die Newcomerin mit einiger Besorgnis entgegengesehen. Gewarnt durch deren eindrucksvolle Siege gegen Claudia Porwik (34. der Weltrangliste), Nathalie Tauziat (16.), Helena Sukova (10.) und Laura Gildemeister (21.), befürchtete die gerade von einer Fußverletzung genesene Argentinierin nicht zu Unrecht ein peinliches Debakel. Doch ihren sicheren, variablen und plazierten Topspinbällen hatte der Tennisteenager aus Florida auf Dauer wenig entgegenzusetzen. Zwar rannte sie wie der Teufel und kämpfte bis zur Erschöpfung, hatte aber zum Schluß mit 4:6, 5:7 das Nachsehen. „Es war eine große Belastung für mich, ich wollte nur raus aus diesem Match“, gab die Siegerin hinterher zu und prophezeite ihrer Gegnerin eine große Zukunft.
Diese bekam zur Belohnung einen Tag zusätzlich schulfrei und durfte ihr erstes Preisgeld in Höhe von 28.000 Dollar einstreichen - ein Trinkgeld im Vergleich zu dem, was das Tennis ihr bereits jetzt einbringt. Verträge über fünf Millionen Dollar mit den Firmen Diadora (Kleidung) und Prince (Schläger) machen Jennifer Capriati schon heute zur am dritthöchsten dotierten Tennisspielerin aller Zeiten nach Chris Evert und Martina Navratilova. Offenbar scheint die Geschäftstüchtigkeit der Capriati-Eltern die des Herrn Graf deutlich zu übertreffen.
Mit dem planmäßigen Aufbau der Karriere ihrer Tochter hatten Denise und Stefano Capriati begonnen, als diese gerade vier Jahre alt war. Die Familie zog nach Florida und gab Jennifer in die Obhut von Jimmy Evert, jenem Mann, der zwei Jahrzehnte zuvor seine eigene Tochter recht ordentlich das Tennisspiel gelehrt hatte. „Ich wollte, daß sie bei einem weisen Mann anfängt, der das alles schon mal mitgemacht hat“, begründet Vater Capriati diese weise Entscheidung. Evert brachte ihr die Tugenden bei, die auch seinen Sprößling großgemacht hatten: im Spiel bleiben und einen Ball mehr als die Gegnerin treffen. „Aggressivität kannst du ihr später beibringen“, sagt Stefano Capriati.
Genau das ist nach Auffassung von Tommy Thompson, Trainer der berühmten Harry Hopman Tennis School in Florida, wo Capriati jetzt Training und Schule absolviert, der entscheidende Punkt. Ihre Grundschläge würden bereits jetzt die Konstanz Chris Everts mit der Schärfe Ivan Lendls kombinieren, aber: „Sie wird sich von allen defensiv spielenden Frauen unterscheiden, weil sie sehr viel Selbst vertrauen am Netz hat.“ (Thompson).
Was Jennifer Capriati aber so attraktiv für die amerikanische Öffentlichkeit und damit für die Sponsoren macht, ist ihre Attitüde des typical american girl, auch wenn die Zahnspange seit den Zeiten von Austin und Jaeger etwas aus der Mode gekommen ist. „Sie ist keine von denen, die mit 13 wie dreißig wirken“, freut sich Thompson, keine von der Art der gesetzten europäischen Tennisyoungsters wie Steffi Graf oder Monica Seles, die in Pressekonferenzen stets wohldurchdachte, ernsthafte Statements von sich geben, höchstens mal durchsetzt von einem eruptiven Kichern (Seles).
Wenn Jennifer Capriati bei Trainingsspielchen, die sie ausschließlich gegen Männer bestreitet, ihrer Lieblingsbeschäftigung - „die Jungs herumscheuchen“ nachgeht, quietscht und kreischt sie, wie sich das für ein US-Goldkind gehört. Immer wieder betont sie strahlend, wie funny doch alles sei, und die Journalisten begrüßt sie mit einem munteren hi there, um ihnen sogleich mitzuteilen, wie great sie sich fühle.
Nur auf dem Platz, gegen solche Veteraninnen wie Gabriela Sabatini zum Beispiel, durchlebt Amerikas liebster Tennisteenie plötzlich eine seltsame Metamorphose: „Wenn ich gegen ältere Ladies spiele, draußen auf dem Platz, dann bin ich so alt wie sie.“
Matti
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