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„Ich begreife das nicht: Ihre Gesellschaft ist so reich!“

■ Interview mit Sabine Bergmann-Pohl, Vorstandsmitglied der Ostberliner CDU über die frauenpolitischen Zielsetzungen der Partei

Frauen in der Politik sind in West-Berlin seit Rot-Grün nicht mehr ganz so ungewöhnlich, in Ost-Berlin zumindest auf der Funktionärsebene eine Seltenheit. Der Ostberliner SPD steht immerhin eine Frau vor, die 23jährige Anne Katrin Pauk (die taz berichtete), im Landesvorstand der CDU finden sich zwei Frauen: Gisela Schurath als zweite stellvertretende Landesvorsitzende, Sabine Bergmann-Pohl im Vorstand. Die 42jährige Fachärztin für Lungenkrankheiten kandidiert bei den Wahlen am Sonntag auf Platz 2 der CDU-Liste zur Volkskammer, gleich nach Lothar de Maiziere. Sabine Bergmann -Pohl leitet zur Zeit eine bezirkliche Stelle für Lungenkrankheiten des Magistrats in der Wilhelm-Pieck -Straße. Seit 1981 in der CDU, beschäftigt sie sich im Landesvorstand vor allem mit Gesundheitspolitik und will sich für die Belange der Frauen stark machen.

taz: Was war für Sie der Grund, in eine Blockpartei einzutreten?

Sabine Bergmann-Pohl: Nun, Anfang der achtziger Jahre hatte ich das Gefühl, daß bei uns so viel im Argen liegt, daß ich mich gern politisch betätigen wollte. Die SED kam zu keinem Zeitpunkt für mich in Frage, so mußte es eine der sogenannten Blockparteien sein, eine andere Möglichkeit gab es doch nicht. Das wird heute bei dem Vorwurf Blockpartei leider oft übersehen. Da ich kirchlich gebunden bin, kam für mich in der damaligen Parteienkonstellation nur die CDU in Frage.

Nun sind Frauen in der Politik bei Ihnen auch noch nicht gerade Alltag.

Ich persönlich habe es immer bedauert, daß nur so wenige Frauen den Weg in die aktive Politik finden. Nur wenige Frauen trauen sich tatsächlich zu, sich bei den Männern durchzusetzen. Es sind ja auch, obwohl wir früher immer die sogenannten Frauenförderungspläne hatten, nur wenige Frauen in leitenden Positionen. Überwiegend in der Medizin hatten Frauen die Chance, auch in höhere Stellen aufzusteigen. Ich habe selbst zwei Kinder und mit Ausnahme des einen Jahres Mutterschaftsurlaub immer gearbeitet.

Die „Allianz für Berlin“ (Wahlbündnis aus Ost- und Westberliner CDU, Demokratischem Aufbruch und DSU auf Landesebene, d.Red.) hat kürzlich in West-Berlin ihr Programm für den sozialen Bereich vorgestellt, von Frauen war dabei allerdings kaum die Rede. Was müßte sich Ihrer Meinung nach ändern, damit Frauen besser gestellt werden?

Eine Schwierigkeit bei uns war doch bisher immer, daß das ganze Dienstleistungsangebot nicht so ausdifferenziert ist wie bei Ihnen. Das heißt, wenn ich einkaufen gehe, muß ich das nehmen, was ich bekomme und nicht das, was ich will. Ähnlich ist es in allen anderen Dienstleistungsbereichen. Das macht das Leben für berufstätige Frauen unwahrscheinlich anstrengend.

Das kann aber doch nicht alles sein? Sind Sie denn als CDU-Mitglied dafür, daß Frauen weiterhin arbeiten? In der DDR ist der Anteil von berufstätigen Frauen doch wesentlich höher als bei uns, und sie sind auch besser abgesichert.

Ich würde das differenzieren: Bei uns mußten doch 90 Prozent der Frauen arbeiten, einfach, um den Lebensstandard zu erhöhen.

War dieser ökonomische Aspekt auch bei Ihnen der Hauptgrund?

Nein, auf gar keinen Fall. Ich bin deswegen arbeiten gegangen, weil ich nach sechs Jahren Studium auch etwas anfangen wollte mit meinen Fähigkeiten. Außerdem macht mir meine Arbeit Spaß. Ich will einfach nicht zu Hause sitzen. Ich kann mit aber vorstellen, daß es auch jüngere Frauen gibt, die am Anfang für einen längeren Zeitraum zu Hause bei ihren Kindern bleiben wollen und ihre Kinder zu Hause erziehen wollen. Man muß das variabler gestalten. Wir haben in der Allianz gefordert, daß solche Frauen zum Beispiel Erziehungsgeld bekommen. Und ich bin der Ansicht, daß diese Erziehungsjahre bei der Rente mitberücksichtigt werden.

Die Erziehung der Kinder muß gesellschaftlich anerkannt werden, das ist etwas ganz Wichtiges. Die Frau, die sagt, ich möchte arbeiten, ich möchte weitermachen, der muß die Möglichkeit gegeben werden, daß ihre Kinder gut betreut werden.

Aber das gibt es doch bei Ihnen, soweit ich informiert bin...

Ja, insofern war unser System schon ganz gut, was Krippen und Kindergärten angeht. Wir müssen jetzt einfach umdenken: Bisher wurden bei uns Sachen subventioniert, unabhängig vom Einkommen, und das muß jetzt anders werden. Ich finde es nur gerecht, daß besser Verdienende auch mehr Abgaben zahlen. So stelle ich mir das auch bei der Kinderbetreuung vor. Es kann natürlich nicht sein, daß eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern genauso viel zu deren Betreuung beiträgt wie etwa ein gutverdienender Familienvater. Grundsätzlich bin ich dafür, Dinge, die sich bei uns bewährt haben, in einem geeinten Deutschland mit durchzusetzen - auch wenn die CDU den Beitritt nach Artikel 23 favorisiert. Dazu gehört auch die Schülerspeisung, die berufstätige Eltern sehr entlastet.

In dieser Form gibt es das alles aber im Westen nicht.

Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, ich begreife das nicht: Ihre Gesellschaft ist so reich! Wieso schafft man es nicht, dort so ein System der Kinderbetreuung aufzubauen, das müßte doch möglich sein.

Das ist eine Frage der Verteilung und auch der politischen Prämissen, die man setzt.

Das ist aber doch schade. Ich habe auch bei den Gesprächen mit der Allianz für Berlin gemerkt, ich war die einzige Frau.

Haben Sie Ressentiments gespürt seitens westlicher CDU -Politiker?

Überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, ich habe dort immer meine Meinung vorgetragen und hatte doch das Gefühl, daß das dort voll akzeptiert wird. Ich glaube, zum Teil liegt es auch den Frauen selbst, die gar nicht in die Politik wollen.

Was halten Sie von Quotenregelungen?

Ich bin dagegen, denn das ist doch nur eine milde Gabe der Männer. Wir Frauen haben es nicht nötig, uns in dieser Form ins Abseits stellen zu lassen. Wenn Frauen eine höhere Position haben oder in die Politik wollen, dann müssen sie sich beweisen.

Wo sind da denn nun die entscheidenden Unterschiede zur SPD?

So sehr unterscheiden die sich gar nicht, mit Ausnahme der Quote. Man sollte eines machen: Man sollte das, was sich Frauen hier erkämpft haben, versuchen zu bewahren. Ich glaube, daß Frauen im Westen durchaus von uns lernen können.

Wie wird die Wahl am Sonntag Ihrer Meinung nach ausgehen?

Ja, die Gretchenfrage: Ich glaube, daß die CDU nicht viel schlechter abschneiden wird als die SPD...

Sie meinen die Allianz?

Nein, ich meine die CDU allein, und vermutlich wird alles auf eine große Koalition hinauslaufen.

Interview: Kordula Doerfler

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