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Ein Fest gegen die Deutschtümelei

■ Die Vorbereitungen zum diesjährigen 1. Mai-Fest in Kreuzberg laufen an / Als Festplatz ist der Görlitzer Park vorgesehen

Während die heftigen Krawalle des letzten Kreuzberger 1.Mai -Festes manchen Linken noch schwer im Magen liegen, haben andere schon lange mit den Vorbereitungen für das kommende „traditionelle“ 1.Mai-Fest begonnen. Nachdem die Debatte über die Frage, ob und wenn ja, wie das Fest - speziell in Kreuzberg - abgehalten werden soll von der Stadteilzeitung 'Süd-Ost-Express‘ und der autonomen Postille 'Interim‘ eröffnet worden war, fand am vergangenen Mittwoch dazu ein „1.Mai-Palaver“ im Jugendfreizeitheim Böcklerpark statt. Auf einem Flugblatt, mit dem „die Macher des 1. Mai 1989“ eingeladen hatten, wurde die Notwendigkeit des Kiezpalavers wie folgt begründet: „Angesichts der umfangreichen Diskussionen nach den letzten Veranstaltungen auf dem Lausitzer Platz, scheint es uns sinnvoll zu sein, vor dem Kreuzberger Mai schon mal zusammen zukommen. Das umso mehr, als in diesem Jahr nicht nur die allseits bekannten und teilweise wieder 'vergessenen‘ Probleme zur Sprache und ins Bewußtsein kommen sollen, sondern sich auch die Situation in Berlin (West) 'leicht‘ verändert hat.“ Die Diskussion unter den rund 120 Leuten, die das Palaver besuchten, kam nur sehr zögerlich in Gang. Der Vorschlag der zehnköpfigen Vorbereitungsgruppe, daß Fest diesmal auf dem Görlitzer Bahnhof zu machen, weil der Lausitzer Platz zu klein sei, stieß nur bei wenigen auf Einwände. Dem Einwurf einer Frau, doch lieber dezentrale Stadtteilfeste abzuhalten, wurde entgegengehalten, daß sich die Gruppen nicht aufsplitten könnten. Zu dem Fest, so hieß es, seien alle Gruppen von „A bis V (Autonome bis VVN)“ eingeladen, aber auch die Oranisationen vom Prenzelberg und linke Parteien der DDR wie „Demokratie Jetzt“ und PDS seien angesprochen worden. Unerwünscht seien allerdings: die AL und andere etablierte Westparteien. Das Fest und die „revolutionäre 1.Mai-Demonstration“ sollen den Abschluß einer Aktionswoche bilden.

Einige Redner und Rednerinnen äußerten die Hoffnung, daß die Aktionwoche und das Fest dazu beitragen, die Vereinzelung und Desolatheit der Linken aufzuknacken. Auf die Frage nach der Sinngebung für das 1.Mai-Fest wurde vorgeschlagen, es als Fest wider die Deutschtümelei und das Wiedervereinigungsgefasel zu begreifen. Der 1. Mai müsse Kampftag der Arbeitslosen, SozialhilfempfängerInnen, Flüchtlinge werden, meinten andere. Auf den Krawall am vergangenen 1. Mai gingen nur wenige RednerInnen ein. Ein Mann kritisierte, daß die Kiezdiskussion über Gewalt im vergangenen Jahr ohne Ergebnis abgebrochen worden sei. Eine Frau befürchtete, daß „die Bullen“ dieses Jahr - genauso wie 1988 nach der „Schlappe“ 1987, auf der Demo oder beim Fest mit der Szene abrechnen würden. Wie das aussehe, hätten sie ja bereits bei der Frauendemonstration unter Beweis gestellt. Für alle Fälle wurde das „Heile-Haus“ aufgefordert, einen Spendenaufruf für Pflaster und Scheren zu starten. Den KritikerInnen des Alkolholausschanks wurde entgegen gehalten, daß zu einem Fest nun mal Bier gehöre.

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