: Vietnamesen eingemauert
■ Erneut vietnamesische ArbeiterInnen an der Flucht nach West-Berlin gehindert / DDR-Behörden berufen sich auf noch gültiges Regierungsabkommen
Offene Grenzen, aber nicht für jeden. Ein Westberliner Rechtsanwalt wurde gleich zweimal Augenzeuge, als DDR -Grenzbeamte die Flucht mehrerer Vietnamesen nach West -Berlin verhindern wollten. Der Vorfall hatte sich nach Angaben des Anwalts, Walter Otte, am 3. März gegen ein Uhr mittags abgespielt. Etwa 40 Vietnamesen hätten das Sperrgitter vor der Mauer am Brandenburger Tor beiseite geschoben, seien dann auf die Mauer geklettert und auf Westseite heruntergesprungen. DDR-Grenzsoldaten seien ihnen auf die Mauer gefolgt, um sie am Springen zu hindern, drei weitere hätten Vietnamesen, die noch vor der Mauer standen, mit Knüffen und Faustschlägen in den Rücken wieder hinter die Absperrgitter getrieben. Touristen und Schaulustige, die ebenfalls auf die Mauer geklettert waren, seien von den Soldaten „höflich aufgefordert worden, wieder herunterzukommen.“
Der zweite von Otte beobachtete Vorfall ereignete sich am 14. März gegen zwei Uhr nachmittags, als ein vietnamesischer Mann auf der Mauer stand, und auf Westseite abspringen wollte. Dort habe sich jedoch bereits ein Grenzsoldat aufgestellt, um ihn zu „empfangen und zurückzubringen“. Als der Soldat von Passanten in eine Diskussion verwickelt wurde, habe der Vietnamese dessen Unaufmerksamkeit ausgenutzt, sei abgesprungen und Richtung Entlastungsstraße davongelaufen. Der DDR-Grenzsoldat sei ihm ein „gutes Stück“ auf Westberliner Territorium gefolgt. Den aufgebrachten Passanten habe er erklärt, er sei befugt, solche Leute auch von westlichem Territorium zurückzuholen. Rechtliche Grundlage dieser Praxis ist nach Darstellung des Pressesprechers im Innenministerium der DDR, Elstner, das Regierungsabkommen zwischen der DDR und der Volksrepublik Vietnam, das den Arbeitsaufenthalt von rund 60.000 Vietnamesen in der DDR regelt.
„Demnach haben die Vietnamesen nicht das Recht, das Territorium der DDR in Richtung Westen zu verlassen.“ Die bilateralen Abkommen der DDR-Regierung waren von Ausländerorganisationen und Oppositionsgruppen scharf kritisiert worden, weil darin faktisch der Status der ArbeiterInnen als Leihobjekte festgeschrieben wird. Nach der Einreise werden sie für vier oder fünf Jahre DDR-Betrieben zugeteilt, der Paß wird eingezogen.
anb
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