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Unabhängigkeitserklärung Litauens aberkannt

■ Moskau: Lukjanow neuer Präsident des Obersten Sowjets

Moskau (ap/taz) - Der Kongreß der Volksdeputierten hat die Unabhängigkeitserklärung Litauens mit 1.463 gegen 94 Stimmen bei 128 Enthaltungen für ungültig erklärt und Präsident Gorbatschow aufgefordert, die „Sicherheit der dort lebenden Bevölkerung zu gewährleisten“. In einer heftigen Debatte definierte Admiral Vitali Iwanow die Unabhängigkeitserklärung Litauens als „Dolchstoß in den Rücken“ der Sowjetunion. Dagegen erntete der Abgeordnete Nikolai Medwedew Rufe wie „Feind des Volkes“, als er den litauischen Standpunkt vortrug. Auf einer Pressekonferenz erklärte Gorbatschow am Donnerstagabend, er wolle das Land vor dem Auseinanderbrechen bewahren, doch deutete er gleichzeitig an, daß er sich für eine weitgehende Selbständigkeit der Unionsrepubliken einsetzen werde. Der Oberste Sowjet der UdSSR werde auch ein Gesetz über den Austrittsmechanismus aus der Union erörtern. Gorbatschow bot Litauen Gespräche an.

Schon steht ein neuer Konflikt ins Haus. In Estland wird für Anfang der nächsten Woche mit einer Unabhängigkeitserklärung gerechnet. Und auch in Lettland wird nach den Wahlen, die wie in Estland dort am Sonntag stattfinden werden, mit einer Unabhängigkeitserklärung gerechnet.

Gorbatschows Ausführungen zur Deutschlandpolitik sind von Bundesaußenminister Genscher gestern begrüßt worden. Nach der Wahl zum Staatspräsidenten hatte Gorbatschow erneut betont, daß die Einheit Deutschlands natürliches Recht der Deutschen sei. Gleichzeitig haytte er jedoch auch die Unverletzlichkeit der Grenzen, die Verbindung des Einigungsprozesses mit dem gesamteuropäischen Prozeß und die Unnanehmbarkeit der Nato-Mitgliedschaft Deutschlands hervorgehoben.

Zum Präsidenten des Obersten Sowjets wurde unter acht Kandidaten Gorbatschows bisheriger Stellvertreter im höchsten Staatsamt, Anatolij Lukjanow, gewählt. Lukjanow (59), ein Jugendfreund Gorbatschows, erhielt 54 Prozent der Stimmen der Delegierten.

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