: Neuer „Entsorgungspark“ im Grünen
■ Dortmunder Firma will in Werneuchen bei Ost-Berlin eine Müllverbrennungsanlage bauen / DDR-Behörden gaben mit einer „Absichtserklärung“ grünes Licht für die Planung / Firma verspricht Müllentsorgung ohne Rest
In dem Städtchen Werneuchen, 15 Kilometer nordöstlich von Ost-Berlin, wollen zwei West-Firmen eine Müllverbrennungsanlage (MVA) bauen und betreiben, die nicht nur Hausmüll aus dem Kreis Bernau beseitigen soll, sondern auch Abfall aus Berlin. Mit ihrer Unterschrift unter eine „Absichtserklärung“ gaben gestern der Direktor des Agrochemischen Zentrums (ACZ) in Werneuchen, Buchholz, sowie Vertreter der Orts-, Kreis- und Bezirksbehörden grünes Licht für den Einstieg in die Planungsphase.
Geschäftsführer Baums von der Dortmunder Firma Baums&Co. versprach, für rund 350 Millionen Mark einen „richtungsweisenden Entsorgungspark“ aus dem Boden zu stampfen. Zusammen mit dem Westberliner Ingenieurbüro Hummerich & Lorenz will Baums neben einer MVA auch eine Sortieranlage bauen, die Papier, Glas und Metall aus dem Müll herausfischen soll. Außerdem sind ein Kompostwerk und eine Anlage vorgesehen, die die giftigen Reststoffe aus dem Rauchgasfilter der MVA zu Baustoffen weiterverarbeiten soll. Mit einer Jahreskapazität bis zu 500.000 Tonnen Hausmüll hätte der Komplex dann die Dimension der Westberliner MVA in Ruhleben.
Lutz Kramer, Vorsitzender des Rates des Kreises Bernau, bekundete „großes Interesse“ an dem Projekt, will aber zunächst eine Expertentruppe auf Erkundungsreise ins Ruhrgebiet schicken und auch den Regionalausschuß an der Entscheidungsfindung beteiligen. Technische Details konnte Baums gestern nämlich noch nicht vorstellen.
Die DDR-Fachleute wollen sich nun zwei Anlagen in Gelsenkirchen anschauen, in denen der Unternehmer jetzt schon die gefährlichen MVA-Filterrückstände zu Pflastersteinen, Bordsteinen und Betonzuschlagsstoffen weiterverarbeiten will. Eine Genehmigung der Behörden für diese Anlagen gebe es noch nicht, räumte Baums ein. Läge das Ja-Wort der Behörden vor, sei er aber in der Lage, den Müll ohne jeden Rest zu beseitigen. Die Filterstäube und Salze aus der Rauchgasreinigung seien heutzutage schließlich das „Hauptproblem“ bei der Müllverbrennung, meinte Baums. Und seine Firma sei die einzige, die dafür eine Lösung anbieten könne.
Referatsleiter Helmut Königshaus von der Westberliner Senatsumweltverwaltung, der gestern ebenfalls zu den Beratungen in Werneuchen erschienen war, blieb deshalb erst einmal skeptisch. Wenn Baums auf die Entsorgung Westberliner Abfälle spekuliere, müßten die Anlagen auch nach „unserer Rechtslage genehmigungsfähig sein“, warnte der Referatsleiter. Zunächst müßten sich das Verfahren und der Standort als tauglich herausstellen, sagte Königshaus zur taz. „Grundsätzlich“ sei der Senat aber „froh über jede Möglichkeit, die Abfallprobleme zu lösen“.
Und Abfallprobleme hat auch der Kreis Bernau. Eine „Katastrophe“ sei die bisherige Müllentsorgung in seinem Kreis, gestand der Ratsvorsitzende Kramer. Die Abfälle landen bisher nur teilweise auf geordneten Deponien; zu anderen Teilen werden sie nach Kramers Worten „illegal“ und auf „wilden“ Müllkippen abgeladen. „Schwierigkeiten“ mit protestierenden Bürgern könnten die Baums-Anlagen ihm von den Schultern nehmen, hofft der Ratsvorsitzende. Um neuen Bürgerprotesten schon vorab die Spitze zu nehmen, hatte Kramer gleich zwei Vertreter der Werneuchener Ortsgruppe der SPD zu den Beratungen geladen. Auch die beiden Sozialdemokraten zeigten sich gestern durchaus interessiert, wollen aber erst mal das Ergebnis der Reise ins Ruhrgebiet abwarten. Geschädigt seien die Werneuchener jetzt schon: Mit dem Lärm eines Flugplatzes und den Abgasen eines großen Industriebetriebes.
hmt
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