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Beweise im Fall „Birmingham Six“ lagen auf Eis

Verhörprotokolle wurden nachträglich verändert / Beweise schon lange bekannt / Nun soll der Fall von neuem aufgerollt werden / Fernsehprogrammgestaltung bestimmt den Zeitpunkt / Die Birmingham Six wollen vors Berufungsgericht und keine Begnadigung  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

Der britische Innenminister David Waddington hat am Mittwoch eine erneute Untersuchung des Falls der „Birmingham Six“ angeordnet. Die sechs irischen Emigranten waren 1975 zu 21mal lebenslänglicher Haft verurteilt worden, weil sie angeblich zwei Kneipen in Birmingham in die Luft gesprengt hatten. Bei dem Anschlag, zu dem sich die IRA bekannte, starben 21 Menschen, 167 wurden verletzt. Trotz erdrückender Beweise für die Unschuld der sechs Iren wurde das Urteil sowohl im Berufungsprozeß als auch von einer Untersuchungskommission vor zwei Jahren bestätigt. Es sind inzwischen weitere Beweise aufgetaucht, daß die für die Verhöre zuständige West-Midlands-Polizei die Protokolle nachträglich geändert hat, um zu vertuschen, daß die sechs Iren vor den Verhören mißhandelt worden waren. Die gesamte Polizeieinheit ist im vergangenen Jahr aufgelöst worden, nachdem in zahlreichen anderen Fällen nachgewiesen wurde, daß die Beamten Geständnisse gefälscht und aus Angeklagten herausgeprügelt hatten.

Der Journalist und Labour-Abgeordnete Chris Mullin, der 1985 nach langjährigen eigenen Untersuchungen das Urteil gegen die Birmingham Six schwer erschüttert hatte, reagierte auf die erneute Untersuchung mit Zynismus. Er sagte: „Die Beweise liegen dem Innenministerium seit Weihnachten vor. Ich vermute, daß die Ankündigung der Untersuchung zum jetzigen Zeitpunkt jedoch hauptsächlich mit der Granada -Fernsehsendung in der nächsten Woche und der dadurch drohenden Blamage zusammenhängt.“ Der unabhängige Sender „Granada“ zeigt am nächsten Mittwoch eine zweistündige Dokumentation, in der die wahren IRA-Attentäter zum ersten Mal namentlich benannt werden. Mullin hatte mit ihnen bereits 1985 gesprochen und Einzelheiten erfahren, die nur die Täter wissen konnten. Er behauptet, daß ihre Identität den britischen Behörden seit 13 Jahren bekannt ist.

Die Untersuchungskommission kann das Urteil bestätigen, eine Begnadigung empfehlen oder den Fall an das Berufungsgericht zurückverweisen. Eine Begnadigung lehnen die Birmingham Six jedoch ab, weil dadurch ihre Schuld bestätigt würde. Bisher hat allerdings noch kein britischer Richter einen Justizirrtum dieser Größe eingestanden. Auch im ähnlich gelagerten Fall der „Guildford Four“, die im vergangenen Jahr nach 14 Jahren Haft freigesprochen wurden, hatte der Generalstaatsanwalt die Anklagen zurückgezogen, mithin den Richtern keine andere Möglichkeit gelassen. Theresa McIlkenny, Tochter eines der sechs Iren, meinte: „Ich bin enttäuscht, daß die Untersuchung von derselben Polizeieinheit wie vor drei Jahren durchgeführt wird.“

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