piwik no script img

Udo will Minister werden

Musikgruppen aus aller Welt spielten gegen Rassismus Frankfurter Festhalle völlig ausverkauft  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Es war eine rauschende Ballnacht. Fast 12.000 Menschen jubelten, tanzten und klatschten am Mittwoch abend multikulturell in der Frankfurter Messehalle. Sie applaudierten türkischen, kurdischen, spanischen, jiddischen Musikgruppen ebenso wie TänzerInnen aus dem Kaukasus, der afrikanischen Sängerin Miriam Makeba und dem Rocker Udo Lindenberg aus der Bundesrepublik Deutschland.

Schon lange vor dem Einlaß zum Festival „Frankfurt gegen Rassismus“ um 19 Uhr drängten sich vor der Festhalle Hunderte an den Kassen.

Ein so gemischtes Publikum hatte sich in der Mainmetropole noch nie zu einem Großkonzert zusammengefunden. Das Amt für multikulturelle Angelegenheiten, Ethnomedia und SOS Rassismus hatten als Veranstalter schon Tage vorher einen regen Vorverkauf gemeldet.

„Denen sitzt wohl allen“, sagte ein Beobachter mitten im Ansturm, „die DDR-Wahl in den Knochen“. Auf der Rückseite der lila Eintrittskarten konnten die BesucherInnen die „Frankfurter Erklärung zu Rassismus und Antisemitismus“ nachlesen, in der es unter anderem heißt: „Frankfurt soll eine Stadt sein, in der Fremdenfeindlichkeit wie Antifaschismus keinen Platz haben.“

Für das multikulturelle Amt faßte sich dessen Leiter Daniel Cohn-Bendit unter heftigem Beifall kurz: „Es ist nicht einzusehen, warum wir uns die Stammtische dieser Republik gefallen lassen sollen.“ Oder warum ein Mensch, der vor sechs Wochen aus Leipzig gekommen sei, in Frankfurt mehr zu Hause sein solle als ein Emigrant, „der hier schon fünf Jahre lebt“.

Sanfte Kritik äußerte die türkische Schauspielerin Renan Demirkan, die zusammen mit dem Frankfurter Kabarettisten Matthias Beltz moderierte: „Multikulturell, das ist ein Wort, das wie ein neuer bunter Teppich über alles gelegt wird. Und das gefällt mir nicht!“

In einer Pressekonferenz hinter der Bühne sagte Hobby -Politiker Udo Lindenberg, befragt nach seiner Angst vor einem neuen Rassismus: „Was bleibt einem anderes übrig, als optimistisch zu sein?“ Er beschwor die „Front aller Demokraten“ und forderte „gute Jobs für alle und ein buntes Land“.

Eine andere Front allerdings stimmte ihn bedenklich, nämlich die, die DDRler „neulich auf der Oder-Brücke gegen die Polen“ gebildet hätten. Gesamtdeutsch, nickte er dann freudig, wäre er gerne bereit, einem „Ministerium für Multikulturelles“ vorzustehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen