: Von der Blockflöte zur neuen CDU
■ Besuch bei der erneuerten alten Blockpartei CDU / „Jeder war sowohl Opfer wie Täter“ / Die Parteizentrale ist auf die neue Rolle als Zentrum der Regierungsmacht nicht vorbereitet
Ost-Berlin (taz) - Geändert hat sich dem äußeren Anschein nach wenig in der Berliner Parteizentrale der CDU. Seit Jahren versehen dieselben sechs Pförtner rund um die Uhr denselben Dienst - der Parteifahne oben auf dem Dach sieht man allerdings den Westimport an. Rund 150 Angestellte hat die Parteizentrale, die Blockpartei war am Platz der Akademie unweit des alten ZKs der SED in einem moströsen vierstöckigen Geschäftshaus großzügig untergebracht worden. Sprelacart-Mobiliar bestimmt das Interieur wie in jeder Verwaltung in diesem Land, in den Fluren und Konferenzsälen stehen aber auch auf Metallstre ben schwingende Ledersessel made in Germany-West. Die CDU hat sich sehr luxuriös einrichten dürfen.
„Wir danken der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und ihrem Zentralkomitee für diese bewährte Gemeinsamkeit. (...) Wir freuen uns über die Aufmerksamkeit, die Erich Honecker in so verständnisvoller Weise immer wieder der Arbeit unserer Partei, ihren Anliegen und Vorschlägen entgegenbringt“, so sagte und schrieb der Vorsitzende der CDU, Gerald Götting, auf dem 16. Parteitag der CDU - und der Schulungsleiter Börner nahm es in das Studienjahrsheft der CDU auf - selbstverständlich. Die Zeiten solcher Reden sind fünf Monate vorbei, der Vorsitzende Götting ist nicht mehr Vorsitzender, die CDU soll die neue Regierung der DDR führen - mit welchem Parteiapparat? Schulungsleiter Börner stellt in diesen Tagen alte Dokumente aus den Jahren 1945 bis 1949 zusammen, die das geschichtliche Selbstbild der DDR-CDU aufmöbeln helfen sollen. Sein letztes Schulungsheft für das Studienjahr 1989/90 sei „nicht zur Perfektion gekommen“, erklärt er. Es sollte immerhin die Themen Demokratie und Menschenrechte behandeln. „Nun sind alle Werte umgestoßen worden“, stellt der ehemalige Schulungsleiter fest, seit Dezember ist er ins Archiv versetzt.
Die Spitzen des Parteiapparates sind beinahe vollständig ausgewechselt worden. Von den früheren „Sekretären“ ist nur der Leiter der Abteilung Organisation, der langjährige Volkskammerabgeordnete und Jurist Dr. Niggemeier, geblieben. Er ist heute zuständig für die Rechtsabteilung. Die anderen sind teils in Rente gegangen, teils in den Zeiten der Wende im Regierungsapparat untergebracht. Die frühere Chefsekretärin des Vorsitzenden ist in die Abteilung „Koordination der Bezirke und Kreisorganisationen“ gewechselt. Ruhe herrscht dort am Tag nach dem gewonnen Wahlkampf, das Telefon klingelt selten. „Es ist noch nicht alles in Sack und Tüten“, räumt sie ein, es fehle an Strukturen, in denen Entscheidungen getroffen werden. In den Zimmern der kleinen Angestellten des Parteihauses herrscht peinliche Ordnung, die MitarbeiterInnen scheinen vor allem damit beschäftigt, Zeitung zu lesen.
An der Spitze hat sich die Partei erneuert, die Abteilungsleiter sind meist erst einige Wochen im Amt. Der gesamte Unterbau aber, in vierzig Jahren gewachsen, ist nahezu unverändert.
Klaus Wolschner
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