: Quittung für Kopfsteuer Maggie vor den Kopf gestoßen
Konservative Partei erlitt schwerste Wahlniederlage bei Nachwahlen seit 55 Jahren / Thatcher siegesgewiß: „Die Kopfsteuer wird sehr populär werden“ ■ Von Ralf Sotscheck
Dublin (taz) - Die Tage der Margaret Thatcher scheinen gezählt. Großbritanniens Konservative haben am Donnerstag ihre schwerste Niederlage bei einer Nachwahl seit 55 Jahren erlitten.
Die Labour Party konnte in Mid-Staffordshire, der bisherigen Tory-Hochburg, ihren Anteil nahezu verdoppeln und gewann 49 Prozent der Stimmen. Die Konservativen verloren ihre absolute Mehrheit und kamen nur noch auf 33 Prozent. Das ist bereits der zweite Parlamentssitz, den die Tories in dieser Legislaturperiode an die Labour Party abgeben mußten. Bei den letzten Entscheidungen in diesem Wahlkreis hatten die Tories noch 50 Prozent verzeichnet, Labour kam damals auf 25 Prozent.
Die Labour-Kandidatin Sylvia Heal sagte nach der Auszählung der Stimmen gestern früh: „Die Botschaft, die von dieser Nachwahl in die gesamte westliche Welt ausgeht, lautet, daß das dunkle Zeitalter des Thatcherismus seinem Ende zugeht.“
Der geschlagene Kandidat der Konservativen, Charles Prior, behauptete, daß die Labour Party die Stimmen bis zur nächsten Wahl lediglich geliehen habe. Er bezeichnete Labour als Schwindlerpartei ohne jegliche Politikvorstellung. Sein Parteivorsitzender Kenneth Baker führte die Niederlage auf die Kopfsteuer sowie strenge Regierungsmaßnahmen zur Inflationskontrolle zurück.
Die Wahl sei durch Protestwähler entschieden worden, sagte Baker. Oppositionsführer Neil Kinnock widersprach dem jedoch. „Man kann eine Wahl nicht alleine mit Proteststimmen gewinnen. Natürlich hat die Bevölkerung gegen die Kopfsteuer, gegen die hohe Zinsrate und gegen das gesamte Spektrum der Regierungsinkompetenz gestimmt. Darüber hinaus drückt die Wahl jedoch ein sehr positives Votum für Labour aus.“
Premierministerin Margaret Thatcher versuchte am Donnerstag, den durch die egalitäre Kopfsteuer („Poll Tax“) angerichteten Schaden für die Tories zu begrenzen.
Sie gab bekannt, daß die Steuerermäßigung für die ärmeren Bevölkerungsteile in Schottland, wo die Poll Tax bereits vor einem Jahr eingeführt wurde, auch rückwir Fortsetzung auf Seite 2
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kend gelte. Noch am Dienstag hatte Finanzminister Major diese Maßnahme strikt abgelehnt und Ermäßigungen erst für April angekündigt, wenn die Kopfsteuer auch in England und Wales eingeführt wird. Proteste schottischer Abgeordneter und die Rücktrittsdrohung ihres Schottland-Ministers Rifkind haben Thatcher zum hastigen Einlenken bewegt. Vor dem Unterhaus verkündete sie am Donnerstag trotzig: „Die Kopfsteuer wird sehr populär werden“ - womit sie jedoch selbst bei ihren eigenen Hinterbänklern schallendes Gelächter erntete.
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