: Bald neue Landesuniversität Brandenburg?
■ Karl-Liebknecht-Uni in Potsdam will Kern der Landesuni werden / Verrottete Universitätsgebäude müssen dringend renoviert werden
Die Pädagogische Hochschule „Karl Liebknecht“, in Potsdam hinter dem Neuen Palais im Park von Sanssouci gelegen, ist, von fern betrachtet, ein architektonisch beeindruckendes Ensemble. Die zwei einzeln stehenden Hauptgebäude, die „Commis“ genannten ehemaligen Wirtschaftsgebäude des Schlosses, werden von einem geschwungenen, säulengefaßten Wandelgang verbunden. Beim Nähertreten offenbart sich jedoch der bedauernswerte Zustand dieser Hochschule, der ohne Übertreibung als verrottet bezeichnet werden kann.
Der Wandelgang ist offenbar seit Jahrzehnten wegen Einsturzgefahr eingezäunt, Gebüsch und Bäume haben sich breitgemacht. Die Fassade der beiden Hauptgebäude aus dem 18. Jahrhundert bröckelt an jeder Ecke, und auch im Innern haben die Gänge und Säle seit Jahrzehnten keine frische Farbe mehr gesehen. Die Einrichtung der Hörsäle beispielsweise - knarrende Bankreihen - stammt aus den fünfziger Jahren. Die Toiletten besucht man lieber nicht.
Eine Renovierung tut dringend not. „Die Sanierung für 60 Millionen Mark wurde im vergangenen Jahr auf den nächsten Fünfjahresplan 1996-2000 verschoben“, berichtet Hochschulrektor Axel Gzik, „das wäre das Aus für uns.“ Jedes Jahr hätten Millionen an Investitionsmittel zurückgegeben werden müssen, da einfach keine Bauarbeiter zu bekommen waren. Ungeachtet dieser Schwierigkeit haben Gzik und seine Hochschule weitreichende Pläne: Sie wollen der Kern einer zu gründenden brandenburgischen Landesuniversität werden.
Zu den Mitdiskutanten gehören die Hochschule für Recht und Verwaltung in Babelsberg, die staatliche Filmhochschule (ebenfalls Babelsberg), die Hochschule für Bauwesen in Cottbus sowie etliche naturwissenschaftliche Institute der Akademie der Wissenschaften der DDR. Mehrere große Kliniken im Bezirk Brandenburg könnten die Keimzelle für eine medizinische Fakultät werden. Cottbus denkt nach Angaben Gziks daran, sein Angebot auszuweiten und eine ganze technische Universität zu gründen. Während Technik und Medizin derzeit noch unterrepräsentiert seien, seien Landwirtschaft/Ökologie, Pädagogik, Geowissenschaften, Kunst - und Medienwissenschaften sowie „Politikwissenschaften“ (der ehemalige Marxismus-Leninismus) gut vertreten.
Die Bauwesen-Hochschule und die PH Potsdam würden zusammen 10.000 Studenten stellen. Das wäre das „Minimum“, wie der seit einem Jahr amtierende Rektor Gzik betont, denn die DDR -Hochschulen werden sich mehr Studenten als bisher öffnen müssen. Für das Sommersemester wurden bereits Konsequenzen gezogen und landesweit 21.700 Studierwillige zugelassen, 5.400 mehr als üblich. Die in vergangenen Zeiten mit dem „Karl-Marx-Orden“ ausgezeichnete „Liebknecht„-Hochschule wird im Augenblick von 4.000 Studenten besucht, die hier in zehn Semestern zu Lehrern der Klassenstufen fünf bis zwölf ausgebildet werden.
Die Konzeption für eine Landesuniversität geht davon aus, daß im Herbst ein Land Brandenburg wiedereingerichtet wird, dem Groß-Berlin nicht angehört. Berlins Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller könnte sich dadurch eine Entlastung für die Lehrerbildung an der Freien Universität vorstellen. Wie die Planung im Falle eines Landes Berlin-Brandenburg aussehen müßte, weiß heute noch keiner zu sagen.
Gerald Mackenthun/dpa
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