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Der „Strichjunge“ tritt zurück

■ Neuer Vizepräsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Albert Eckert, gibt nach Hetzkampagne sein Amt auf

Berlin (taz) - Der Vizepräsident des Berliner Abgeordnetenhauses, der parteilose Albert Eckert (29), ist nach einer CDU-Hetzkampagne wegen seiner früheren Tätigkeit als „Schönheitsmasseur“ - gestern zurückgetreten. Der Diplom -Politologe war erst am 22. März mit den Stimmen der SPD und der Alternativen Liste (AL) im Abgeordnetenhaus gewählt worden. Der CDU-Abgeordnete und Landesgeschäftsführer Klaus -Hermann Wienhold hatte Ende letzter Woche in einem Brief an die SPD-Fraktion und Parlamentspräsident Wohlrabe (CDU) behauptet, Eckert habe „als Strichjunge gearbeitet und in einschlägigen Magazinen inseriert“. Eckert, der auch im Handbuch des Abgeordnetenhauses als „Schönheitsmasseur“ verzeichnet ist, hatte Wienhold aufgefordert, die Behauptung zu unterlassen. Gestern untersagte das Landgericht Berlin Wienhold per einstweiliger Anordnung deren Wiederholung.

Zu seinem Rücktritt erklärte Eckert in der Sitzung des Ältestenrates, einige Politiker schienen ihn nach Maßstäben „gewohnter Doppelmoral“ im Amt des Parlamentsvizepräsidenten für untragbar zu halten. In einem Brief an Parlamentspräsident Jürgen Wohlrabe fragte Eckert, ob die Gesellschaft von PolitikerInnen verlange, „ein vermufftes Sexualleben zu führen, unterbrochen höchstens von gelegentlichen, schamhaft verschwiegenen Bordellbesuchen“. Er wolle „seine Zeit nicht länger mit der Abwehr persönlicher Anfeindungen verbringen“, sondern seine parlamentarische Arbeit „für gesellschaftlich Ausgegrenzte“ fortsetzen.

Die AL-Fraktion, die den Vizepräsidenten bis zuletzt aufgefordert hatte, im Amt zu bleiben, bedauerte den Rücktritt, sie habe in Eckerts Präsidentschaft eine „Chance für eine Diskussion um Moral und Politik“ gesehen. Der Geschäftsführende Ausschuß der Partei kritisierte vor allem, daß die „miese Denunziationskampagne nicht auf den entschiedenen Protest der SPD gestoßen“ sei. Die mangelnde Solidarität des großen Koaltionspartners sei einer der Gründe für den Rücktritt gewesen. Der AL-Ausschuß forderte deshalb, daß die Fraktion keine neue Kandidatin für das Amt nominieren solle.

Wie aus Kreisen der SPD-Fraktion verlautete, habe eine Mehrzahl der SPD-Abgeordneten gegen ein Verbleiben Eckerts gestimmt. Die SPD nahm augenscheinlich lieber den dritten AL -Rückritt innerhalb von drei Wochen in Kauf.

Hans-Hermann Kotte

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