: Griechenlands Dinosaurier sterben langsam
Morgen finden zum dritten Mal innerhalb von zehn Monaten Parlamentswahlen in Griechenland statt / Zur Wahl stehen drei Veteranen / Stabile Mehrheiten sind fraglich, Koalitionen schwierig / Drohender Staatsbankrott kann die Politiker der Großparteien nicht einen ■ Von Klaus Hillenbrand
Berlin (taz) - Der Staatsbankrott steht vor der Tür, unaufgearbeitete Skandale um Millionen-Bestechungssummen warten - man sollte meinen, diese Bürde könnte auch hartgesottene Politiker vor der Macht abschrecken. Doch in Athen stellen sich an diesem Sonntag erneut dieselben Spitzenkandidaten wie schon zweimal in den letzten zehn Monaten zur Wahl. Konstantinos Mitsotakis (Nea Demokratia), Andreas Papandreou (Pasok) und Charilaos Florakis (Allianz der Linken und des Fortschritts) bringen es zusammen auf ein Lebensalter von 216 Jahren. Das Rennen der „Dinosaurier“, wie das konkurrierende Gespann in Athen genannt wird, droht zu einem toten Rennen zu werden. Erneut steht zu befürchten, daß es weder der Pasok noch der Nea Demokratia gelingen wird, eine absolute Mehrheit hinter sich zu versammeln.
In anderen Staaten wird bei fehlender Mehrheit einer Partei eine Koalitionsrergierung gezimmert. In Griechenland nicht. Die Dinosaurier blicken nicht nur auf ein schönes Lebensalter, sondern auch auf reichhaltige politische Erfahrungen zurück. Die machen ihnen eine Teilung der Macht nahezu unmöglich. Papandreou (70) und Mitsotakis (71) zum Beispiel sind schon seit 1965 miteinander verfeindet, als der Konservative gemeinsam mit dem König gegen die Regierung intrigierte. Neben diesen persönlichen Animositäten sorgen unterschiedliche politische Positionen dafür, daß die Parteien kaum zueinander finden. Konservative und das Linksbündnis werfen der Pasok und ihrem Führer Papandreou eine ganze Reihe von Skandalen aus deren Regierungszeit (1981-89) vor. Diese links-rechte Gemeinsamkeit zur Katharsis (Säuberung) reichte im Sommer letzten Jahres immerhin zur Bildung einer Übergangsregierung, die sich beim Ausmisten des Augiasstalls durchaus Verdienste erwarb.
Zu mehr langt es allerdings nicht, denn bei nahezu allen anderen politischen Feldern sind Konservative und Linke verschiedener Meinung. Entgegen ihrer gemeinsamen Forderungen hat die Pasok bis heute keine personellen Konsequenzen aus ihrer dunklen Regierungsvergangenheit gezogen: Papandreou, dem ein Verfahren wegen Korruption droht, blieb unumstrittener Chef seiner Bewegung. Diese Tatsache macht es Linken wie Rechten gleichermaßen schwer, mit der Pasok zu koalieren.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma erhoffte man sich schon am 5.November durch Neuwahlen. Doch wie schon im Juni gab es keinen eindeutigen Sieger. Eine Allparteienregierung unter Ministerpräsident Xenophon Zolotas (85 Lenze) fiel Anfang März bei der Frage eines neu zu wählenden Präsidenten wieder auseinander.
Geringe Hoffungen, beim morgigen Urnengang doch noch die rettende absolute Mehrheit zu erhalten, können sich vor allem die Konservativen machen. Sie verfehlten ihr Ziel im November mit 148 Sitzen im 300köpfigen Parlament nur knapp. Die Pasok hat sich trotz der Skandale in der Wählergunst wieder stabilisieren können und erreichte im November 128 Mandate. Das Linksbündnis muß dagegen um seine 21 Mandate bangen.
Ob absolute Mehrheit für Mitsotakis oder nicht - den Griechen stehen schwierige Zeiten bevor. Vettern- und Mißwirtschaft unter Papandreous achtjähriger Regentschaft haben das Land drohend nahe an den Staatsbankrott geführt. Nur mit immer neuen Krediten läßt sich noch das Heer der Beamtenschaft bezahlen. Etwa 100.000 weitgehend untätige Staatsdiener wurden unter Papandreou eingestellt, um den Patrons neue Wählerstimmen zu sichern. Unrentable Privatunternehmen wurden, um ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu vermeiden, verstaatlicht und belasten seitdem den Staatshaushalt. Der Staat kontrolliert 70 Prozent des Volkseinkommens. Auf diese Weise erhöhte sich die Staatsverschuldung Griechenlands vergangenes Jahr auf über ein Fünftel des Bruttosozialprodukts. Schuldendienst und Gehälter- und Pensionszahlung fressen fast die gesamten Staatseinnahmen wieder auf. Das Leistungsbilanzdefizit Griechenlands schwoll 1989 auf knapp fünf Milliarden Mark, die Wirtschaft indes wuchs um bescheidene 2 Prozent. Hinzu kommt eine Inflationsrate von 17 Prozent.
Zur Überwindung der drohenden Pleite wäre eine wirtschaftliche Roßkur notwendig, die nahezu allen Griechen persönlich an die Brieftasche ginge. Das aber sagt nicht nur in Griechenland keiner gerne dem Wähler vor der Wahl. Die Notwendigkeit zu unpopulären Maßnahmen ist zudem ein weiterer Grund dafür, daß jede Partei vor Koalitionsregierungen zurückschreckt, die den Wähler beim nächsten Urnengang vergraulen könnten. Die letzte Allparteienregierung Zolotas war nicht in der Lage, den Pleitegeier einzufangen, weil sich die Parteien gegenseitig blockierten. Einer neuen Not-Koalition dürfte es kaum anders ergehen.
Nur einer stabilen Regierung wird zugetraut, den drohenden Staatsbankrott noch abzuwenden. Die Griechen haben die Wahl zwischen dem Bankrott des Landes oder einer Verschlechterung des privaten Einkommens. Eine wenig mutmachende Alternative.
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