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Der Preis des Fliegens

Verteidigungsminister und U-Boot-Spezialist Stoltenberg fliegt seine Journalisten zur PR-Showkonferenz ein  ■  P R E S S - S C H L A G

Ein heißer Tag im Dachgeschoß der taz. Träge blättere ich in der Info-Broschüre des Deutschen Sport-Bundes. Präsident Hansen trifft DDR-Kollege Kilian, irgendwer hat Geburtstag. Auch das letzte Thema macht niemanden wild: „Pressekonferenz mit Stoltenberg und Hansen in Warendorf über engere Zusammenarbeit.“ Das hat noch gefehlt heute.

Gerade will ich mich fortstehlen, da fällt mein Blick auf die fettgedruckte Unterzeile: „Anreise für Journalisten per Hubschrauber möglich“. Wie bitte, fliegen? Umsonst? Der Adrinalinspiegel steigt, sollte sich jetzt, mit fast dreißig, mein sehnlichster Kindertraum erfüllen? Der Köder sitzt. Schnell die Nummer vom Verteidigungsministerium: Ja hallo, haben Sie noch Platz, ja, Danke, neun Uhr ab Hamburg.

Mir ist ganz schwindelig. Wir, die Sportjournalisten, die belächelten Fuzzies, wir werden per Hubschrauber zu Stolti geflogen. Wir sind wichtig. Vor allem aber sind wir alle potentielle Abenteurer, richtige Trophy-Typen. Hubschrauber fliegen!

Am nächsten Morgen in der Flughafenhalle: Die Kollegen von der der 'FAZ‘, der 'WamS‘ und dem NDR sind schon da, wir schütteln uns die vor Aufregung feuchten Hände. „Bist du auch wegen dem Fliegen gekommen? Ist ja der Hit! Um was geht's da eigentlich? Na, egal.“ Kurz darauf heben wir ab, in einem tarnfarbenen Riesending, in fünfhundert Meter Höhe schwankend mit Ohrenschützern neuem Selbstbewußtsein entgegen. Eine Stunde und 1.000 Liter Sprit später setzt uns der Pilot sanft wie stilecht inmitten des Fußballfelds der Bundeswehrsportschule Warendorf ab. Bis die Hubschrauber aus Bonn und Frankfurt kommen, werden uns im Foyer die Vorzeigesportsoldaten auf dem Präsentierteller angerichtet. Erfreut begrüßen wir den Obergefreiten Sturm, gerade aus Turin eingeflogen, wo er für den FC Köln Tore schoß. Obergefreiter Schnieders erklärt die Ursache seiner eingegipsten Boxhand, Stabsunteroffizier Fichtner, Deutscher Meister im Zehnkampf, macht Faxen. Wir plauschen mit den Berühmtheiten wie gewohnt auf du und du, bis der Major uns zum Rundgang befehligt.

Dann folgte der eigentliche Anlaß des Ausflugs: die Pressekonferenz. 60 fluggeile Journalisten, von der 'FR‘ bis zum 'Ärzteblatt‘, bevölkern die im UNO-Stil kreisrund aufgestellten Tische. Vor uns, am mit Verbandsgrößen und ordenbehängten Militärs angereicherten Podium, verliest Stoltenberg blumenumrankt irgendein Zusammenarbeitungsabkommen. Höflich lauschen wir den ollen Kamellen, die normalerweise keine Meldung wert wären.

Aber wer uns fliegen läßt, darf auf Gnade hoffen. Mitgenommen sieht er aus, der Minister, mächtig gerupft durch den U-Boot-Skandal. Heute braucht er nichts zu fürchten. Wir sind Sportjournalisten, ein Glück, keine Politiker. Und wir sind dankbar.

Nach einigen heuchlerischen Scheinfragen wird die Rednerliste vernünftigerweise geschlossen, bevor irgendein aufmüpfiger, profilneurotischer Zeitgenosse durch üble Tauch -Fragen die Stimmung verdirbt. Man war sich doch einig, hier Spaß zu haben. Beim abschließenden Büffet, zwischen Hummer und Kassler im Schlafrock, werden geschäftig Brancheninfos ausgetauscht, eilig Connections geknüpft, um dann - hier meine Karte, wir kontakten später, mein Hubschrauber startet gleich - zu neuen, wichtigen Terminen gen Himmel zu entschweben.

miß

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