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Holz- und Baumbruch oder Petri Heil

■ 28. Tage der Kinder- und Jugendliteratur

Antje Taffelt

Von Vorurteilen getrübte Erwartungen - bei einer Stippvisite ins all zu schnell verfärbte südliche Territorium der noch existierenden DDR - bestätigen sich auf schmerzliche Weise: Die Annäherung erfolgt beschwerlich. Erfordert der traute Wunsch des Südens nach schnellem, einheitlichem deutschem Glück harte Proben unseres gewachsenen Demokratieverständnisses, so braucht es für einen Reichsbahntrip ins Frühlingshaft-Südliche zusätzlich Geduld, dafür weniger an Orientierungsvermögen. Im Expreßtempo, schleichend, aber unbeirrbar, befördert die Bahn den Reisenden nach Chemnitz (einmal möchte man auch im Trend liegen). Die Heimat hat sich schön gemacht, und lustig flattern die schwarz-rot-goldenen Fahnen im Frühlingswind und weisen den Weg, Sachsens Felder sind bestellt, die Luft wird dikker, das ist wie immer.

Also was sollen Berührungsängste, ich habe es schließlich grau auf weiß! Der Stellvertreter des Ministers für Kultur, Klaus Höpcke, und der 1. Sekretär des Schriftstellerverbandes der DDR, Gerhard Henniger, laden zu den 28. Tagen der Kinder- und Jugendliteratur nach Karl-Marx -Stadt. Müßig, über die verdammt hastige Zeit zu reflektieren, Druckzeiten sind dafür um so länger, hier sieht man's wieder. Nichts ist, wie es war! Oder doch? Mit Erstaunen entdecke ich unumstößliche Programmpunkte wie An und Abreise, immer noch Angebote an Lesungen, Gesprächen, Buchbasaren, Konferenz und Preisverleihung. Wer hätte das gedacht!

Also nun ist es klar, es gibt noch Menschen, die sich für Literatur made in DDR interessieren. Noch dazu soll ein Lyriker mit dem von der Akademie der Künste verliehenen Alex -Wedding-Preis geehrt werden. Was für Zeiten! Walter Petri mit Ehre bedacht, da darf ein Lektor nicht zögern noch zagen, schließlich erscheint (man hofft) bald der dritte Lyrikband des Dichters an Kinder im noch Arbeit gebenden Kinderbuchverlag Berlin. „Menke Kenke“ wird er heißen.

Wer hofft da noch auf bezahlbare Hotelzimmer und einträchtig celebrierte Abende an kalten Büffetts oder auf vergleichbare Gesellschaftsspiele wie: Mit wem verläßt Höpcke die abendliche Runde? Nein, diesmal geht es um Höheres. Nicht nur „Autorenpflege“, des Lektors wichtigste Dienstverpflichtung, ist vonnöten, auch geneigte Leser, Buchhändler und potentielle Käufer wollen ernst genommen werden, sollten wir im Verdrängungsspiel auf dem DDR -Buchmarkt überhaupt noch eine Chance haben. Vielleicht aber bringt es einfach nur die Möglichkeit, Petri einmal lächeln zu sehen, für einen Augenblick vergessend und für einen leichten Moment lang nicht erdrückt vom Wissen um das Antlitz der menschlichen Seele oder um die Verschmutzung der Flüsse.

Nun also doch noch mit der Reichsbahn in Karl-Marx-Stadt gelandet. Hier bläst ein frischer Wind. Wer hätte das gedacht, aber des Sachsen Lieblingsbekleidung ist immer noch das Käppi, man sieht's gleich, jetzt trägt er's in den modischen Farben grün-weiß. Die ab heute verbilligten Schokoladenosterhasen sind weithin angepriesen, dafür nirgends ein Hinweis auf die Tage der Kinderliteratur - die Schwergewichte sind gesetzt, wer will, kann sie mit Coca Cola runterspülen.

Das Org.-Zentrum logiert nobel im Kongreß-Hotel, und hier verstärkt sich das Gerücht, es gäbe noch unverzagte Autoren, die an die Treue ihrer Leser glauben, zur Gewißheit. Immerhin wollen über hundert Autoren lesen, aber die Macher von Kinderbüchern zeichneten sich von jeher durch besonderen Familiensinn aus.

Und diesmal durften die Schriftsteller sogar in den Literaturunterricht einbrechen. Die Kinder erlebten's mit Freude. Ob sie daraus auch genug gelernt haben? Dazu gab's Ausstellungen, zum Beispiel von Bofi, und Filmpremieren, viel Jux beim Eröffnungsfest, Malen, Zuhören, Fragen. Auch die Großen hatten welche. Sie forschten in den „Neuen Zeiten“ nach „Neuen Themen“. Ohne Konferenz geht's eben nicht. Manch einer suchte in Karl-Marx-Stadt auch nach Verlegern, die waren dort seltener zu finden. Kommt da Wehmut auf? Muß ja nicht - den Abschied versüßte die Nachricht, es würde auch ein nächstes Mal geben, vielleicht in Rostock und dann im erweiterten, begrüßens-werten Kollegenkreis.

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