: Vereinigung auf der Kurzwelle?
■ 'Radio Berlin International‘ und 'Deutsche Welle‘ wollen zusammenarbeiten / Ein einiges Deutschland braucht nur einen Auslandssender / Streit um die Zukunft funkelektronischer Auslandsinformation der BRD
Nicht nur die mit der Verwaltungsreform anstehende Absage an den Berlinzentralismus fleddert derzeit die Gemüter der DDR -Rundfunker. Zusätzlich stressen die öffentlich oder-unter -der-Hand vorausgesagten Neubestuhlungen in den Chefzimmern, die über die Flure flutenden Konzeptionen, Gegenentwürfe und Gerüchte zu Programm-, Personal- und Finanzzukunft der Sender. Da es noch immer keine Redaktionsstatute gibt, die das Mitspracherecht der Mitarbeiter regeln, ist Willkür nicht auszuschließen.
Inzwischen wird die Zukunft des DDR-Funks nicht nur hier verhandelt. Die Sendebrüder der anderen deutschen Seite haben ihr Interese angemeldet: Die ARD will an deutsch -deutschen Postgesprächen beteiligt sein, Deutsche-Welle -Intendant Dieter Weirich schlägt vor, auf einem „Mediengipfel“ von Bund und Ländern Kriegsrat zur Medienordnungspolitik nach den DDR-Wahlen zu halten.
Natürlich gibt es schon erste Gespräche über die deutsche Funkeinheit. In der letzten Februarwoche verhandelte der Intendant des DDR-Auslandssenders 'Radio Berlin International‘ (RBI), Klaus Fischer bei der 'Deutschen Welle‘ (DW), dem BRD-Auslandssender in Köln.
Kooperation ist angesagt zwischen jenen beiden Sendern, die einst gegeneinander weltweit hörbar nachzuweisen hatten, daß jeweils ihr Deutschland das bessere ist. Die Wende vom Gegeneinander zum Miteinander vollzieht sich natürlich „bei Wahrung einer vollen Eigensständigkeit der beiden Sender auf der Basis einer vernünftigen Erleichterung der gegenseitigen Arbeit“, wie es in einer Mitteilung der Kölner DW-Zentrale heißt. In der 'Frankfurter Rundschau‘ war zu lesen, worum es im einzelnen gehen soll: Zusammenwirken auf technischem Gebiet, Koordinierung von Frequenzen, Austausch von Hörer und Empfangsanalysen, abgestimmte Teilnahme an internationalen Konferenzen und europäischen Gesprächsrunden.
Ob es den Chefs von RBI und DW tatsächlich um gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit geht? Tatsache ist doch, daß ein geeintes Deutschland nur einen Auslandssender benötigt. Wer von den beiden dabei auf der Strecke bleibt, liegt auf der Hand: Das nur in elf Sprachen sendende RBI hat gegen den fünftgrößten Auslandssender der Welt DW mit seinen täglich 90 Programmstunden in 34 Sprachen kaum eine Chance.
Dem großen Sender käme der kleine gerade recht. Schon seit Jahren muß er sich wegen der Störungen im weltweit überlasteten Kurzwellenbereich um neue Sendemöglichkeiten bemühen. Gern würde man auf der Kurzwelle bleiben, hat sie sich doch als effektivste Methode der Überwindung von großen Entfernungen bewährt. Eine Relaisstation in Sri Lanka, Sendefenster bei philippinischen und brasilianischen Sendern konnte man anmieten, man will aber mehr. Der Technische Direktor der Welle, Roessler, erklärte im Dezember 1989, daß die DW ihre Reichweite um ein Drittel erhöhen könnte, wenn die Zahl ihrer Kurzwellensender von 32 auf 50 steigen würde. Die technische Konkursmasse von RBI, das derzeit auf etwa 30 Frequenzen im Mittel- und Kurzwellenbereich sendet und in 150 Ländern gehört wird, könnte hier, ohne daß Investitionen notwendidg sind, zu den gewünschten Weiten verhelfen.
Aber nicht nur RBI im Osten steht auf dem Spiel. Seit geraumer Zeit wird über den Anschluß des 'Deutschlandfunks‘ (DLF) im Westen an die DW meditiert, der die sinkenden Einschaltquoten nur erfolglos mit mehreren Programmreformen parieren konnte. Mit den zwanzig Kurzwellensendern, die neben anderen dem DLF zur Verfügung stehen, könnten sich die deutschen Stimmen großflächiger ausweiten.
Hier aber machen die West-Sozialdemokraten Stunk. Der DLF wäre ihnen als Hörfunkprogramm des ZDF lieb. Unter dem Dach einer gemeinsamen Betriebsgesellschaft wollen sie DW, DLF und RIAS Berlin an einem gemeinsamen Fernsehprogramm basteln sehen.
Die West-Grünen hingegen, denen die enge Anbindung der Sender an Regierung und Staat schon immer nicht paßte, wollen DW und DLF zu einem „staatsfernen Radio International“ fusionieren. Für Regierungs- und Parteienvertreter soll in dessen Aufsichtsgremien kein Platz sein, was einer kleinen medienpolitischen Revolution gleichkommen würde.
In dieses Gerangel um die Neuprofilierung der elektronischen Selbstdarstellung der BRD im Ausland und um die Neuordnung eines Teils der westdeutschen Medienlandschaft platzt nun die deutsche Vereinigung und der dienstreisende RBI-Intendant Fischer.
Aber es ging bei seinen Kölner Verhandlungen gar nicht um diese Fragen. Ganz im Gegenteil. In einem dem eigenen Sender gewährten Interview sagt Fischer, was Hörer und Redaktion von dem Treffen glauben sollen: „Ausgangspunkt der Überlegungen ist, daß der Prozeß des Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten, ihre Zukunft in einem gemeinsamen europäischen Haus, weltweites Interesse findet. Hier stehen RBI und die 'Deutsche Welle‘ in einer großen Verantwortung nämlich darzustellen, was die Teile Deutschlands, für die sie sprechen - die DDR und die BRD - an Erfahrungen, Leistungen und Vorstellungen in diesen Prozeß einbringen. Es geht also sowohl um eigene Identität als auch um Verbindendes.“
Vielleicht hat Intendant Fischer wirklich versucht, im Interesse seiner Kollegen in Berlin mehr einzubringen als Frequenzen und Sendezeiten. Man könnte es glauben, wenn da nicht die Tatsache wäre, daß Fischer im besagten Interview für RBI bis in einzelne Formulierungen genau dasselbe sagt, was 'dpa‘ aus Köln über seine Dienstreise zu ticken wußte. Hat sich da jemand auf Sprachregelungen geeinigt, um sich nicht in die Karten gucken zu lassen?
Andreas Ulm
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