Osteuropäer und Chinesen diskutieren

■ Die chinesische Oppositionsbewegung FDC und das Neue Forum laden zu einer Tagung über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der chinesischen und osteuropäischen Bürger- und Reformbewegungen nach Ost-Berlin

Berlin (taz) - Es waren die Menetekel des Pekinger Frühlings, die den osteuropäischen Demokratiebewegungen warnend zur Seite standen. Heute ist es der Sturz der Einparteiendiktaturen in diesen Ländern, der die chinesischen Oppositionsbewegungen hoffen läßt. Am kommenden Wochenende, vom 21. bis 23.April, werden zum ersten Mal demokratische Kräfte aus Ost- und Mitteleuropa mit Chinesen zusammentreffen, um Erfahrungen über die Demokratisierungsprozesse in ihren Heimatländern auszutauschen. Vertreter aus Politik, Publizistik und Wissenschaft werden auf der Konferenz in der Ostberliner Akademie der Künste die wirtschaftlichen und sozialen Probleme ihrer Länder nach den ersten Schritten zur Demokratisierung erörtern.

Auf der Basis der Erfahrungen der Vergangenheit und der Analyse der gegenwärtigen Situation sollen Zukunftsperspektiven aufgezeigt und eine enge Zusammenarbeit angeregt werden. Die Föderation für ein Demokratisches China, FDC, ruft gemeinsam mit dem Neuen Forum, der Solidarnosc, dem Bürgerforum, dem Demokratischen Forum, der Bewegung Demokratie Jetzt und der Initiative Frieden und Menschenrechte zur Gründung eines Internationalen Forums für Demokratie und Menschenrechte (Interforum) auf. Mit dieser Konferenz wollen die Veranstalter auch darauf aufmerksam machen, daß in China immer noch diejenigen mit Gewalt, willkürlichen Verhaftungen und Folter regieren, die das Massaker vom 4. Juni auf dem Tiananmen-Platz zu verantworten haben.

Teilnehmen werden unter anderem Ojar Blimberg, Wirtschaftsberater der lettischen Volksfront, Radu Campeanu, Generalsekretär der rumänischen Bauernpartei, Andrzej Celinski, Vorstand der Solidarnosc, der rumänische Schriftsteller Ion Dinescu, die Grüne Petra Kelly und Prof. Jens Reich vom Neuen Forum. Unter den chinesischen Experten und Dissidenten befindet sich der ehemalige Leiter des Instituts für Wirtschaftsreformen, Prof. Chen Yizi, heute Direktor des „Centre for Modern China“ in New York, und der Student Wuer Kaixi, Vizepräsident des FDC.

Die mit der Organisation befaßten Chinesen wurden von anonymen Telefonanrufen in den frühen Morgenstunden in den Vorbereitungswochen gestört. Von seiten der französischen Alliierten erhielten sie die Warnung, daß im Falle einer Sabotage noch immer kein Abkommen über Rechtshilfe mit der chinesischen Botschaft in Ost-Berlin bestehe. Tatsächlich sei Professor Jens Reich, der gemeinsam mit dem FDC -Vorsitzenden Professor Yan Jianqi den Gründungsaufruf des Interforums unterzeichnet hat, zur chinesischen Botschaft bestellt worden, so der Mitorganisator Li Bo. Jens Reich sei dort darauf aufmerksam gemacht worden, daß er gemeinsam mit einem „Verbrecher“ unterzeichnet habe. Außerdem warnte die chinesische Botschaft verschiedene Institutionen, mit der FDC zusammenzuarbeiten, berichten die Organisatoren. So ziehen es manche Diskutanten auch vor, als Privatperson an der Konferenz teilzunehmen. Den eigens aus Paris Anreisenden stecken noch die Erfahrungen von der Gründungsversammlung der FDC in den Knochen. Damals wurde in Paris der Wagen des chinesischen Handelsattaches in die Luft gesprengt. Nach Drohbriefen mußte das anschließende Fest unter Polizeischutz stattfinden. Diesen hat das Neue Forum jetzt schon beantragt.

sl