: Rostock oder: Kleiner Katechismus der Demokratie
In den Trümmern des Stasi-Staates geht der neue OB, Christoph Kleemann, real existierende Schritte zur Einführung demokratischer Sitten. ■ Aus Rostock Uta Stolle
Als der Rostocker Oberbürgermeister Henning Schleiff, gegen seinen fintenreichen Widerstand zurücktreten und seinem Nachfolger und Widersacher am Runden Tisch, dem Pastor Christoph Kleemann, das Amt übergeben mußte, hinterließ er ihm ein ironisches „Na, dann regiert mal schön“, an Akten insgesamt ein Zettelchen, enthaltend die Gehälter einiger Mitarbeiter und im gediegen-funktionalen Arbeitszimmer ein Telefontischchen, genau wie Erich Honecker eines hatte. Dazu eine Sekretärin, die die Rosetten-Stores jeweils mit einem entschiedenen kleinen Ruck wieder zuzieht, wenn Kleemann sie in seinem Drang nach Licht und Transparenz mal ein wenig geöffnet hat. Daß der anschwellende Strom der direkte Hilfe Suchenden nicht mehr nach St. Nirgendwo verwiesen werden darf, muß sie als formulierten Willen des Amtierenden hinnehmen. Daß aber der Blick vom Neuen Markt, heute Ernst -Thälmann-Platz, ungehindert ins Allerheiligste dringen können soll, darin kann die Frau mit dem undurchschaubar blauen Blick nur ein schnell zu behebendes Versehen vermuten.
Rostock hat sich noch vor der Kommunalwahl am 6. Mai durch den Widerstand des Runden Tisches den Bürgermeister vom Halse geschafft. Weil der Rat der Stadt rasch noch ein paar Fakten geschaffen hatte, die die Kommunalwahl überdauern sollten. Seit Anfang Februar hatte der Runde Tisch dem Schulrat Gustav Bendlin fortwährende und verschleierte Einstellung von unqualifizierten Stasi- und Parteikadern in den Schuldienst vorgeworfen, insgesamt deren 44. Am 16. März, zwei Tage vor der Volkskammerwahl, hatte der Runde Tisch seine Arbeit bis zum ultimativ geforderten Rücktritt von Schulrat und nunmehr auch Oberbürgermeister eingestellt. Am 26. März verlangten die Abteilungsleiter im Rathaus die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit dem Runden Tisch, das bedeutet im Klartext Schleiffs Rücktritt. Gleichzeitig zieht eine Mahnwache vor dem Rathaus auf. Henning Schleiff verläßt das Rathaus durch einen Seiteneingang und läßt seinen Stellvertreter seinen Rücktritt bekannt geben. Noch am selben Abend bestimmt der Runde Tisch Kleemann zum Nachfolger.
So steht nun dieser Bürgerbewegungsgläubige einem Hause vor, in dem es von „Sekretariaten des Sekretärs“ wimmelt, versucht Fuß zu fassen auf morastigem Grund, Durchblick durch die verschiedenen SED-gemachten Chaosse zu gewinnen, um Transparenz nach außen weitergeben zu können. Und er wirbt mit Geschick und persönlichem Gespräch um die Zuarbeit des alten Apparats. Denn auf nichts warten die alten Mächte so sehnlich wie darauf, daß sich Staatsverfall und Chaos unter den Neuen so sichtbarlich verstärken wird, daß es für sie politisch nutzbar wird. Auch das meinte Henni Schleiff, als er sagte, „dann regiert ma schön.“
Um den Amtierenden herum Luftanhalten, Lauern und Mauern auf vielen Ebenen. Der übergeordnete Rat des Bezirks stellt sich tot, wartet ab. Bei ihm hatte die Regierung Modrow einen Bericht bestellt. Der Oberbürgermeister von Schwerin erscheint auf einem Feste, obwohl angekündigt, lieber nicht. Er hätte neben dem Rostocker Kollegen vom Neuen Forum sitzen müssen. Glückwünsche zur Amtsübernahme kamen aus der Bundesrepublik, von der Partnerstadt Bre
men, obwohl die mit dem alten OB trefflich konnte. Von den PDS-Kollegen nichts. “
Arbeitsalltag
7 Uhr früh. Wie an jedem Alltag seit dem 28. April trifft sich am U-förmigen Tisch im Ratssaal die „Kommission“, 19 neue StadträtInnen, darunter drei Frauen. Sie und Christoph Kleemann als 20. kontrollieren und ergänzen die 20 alten RätInnen, die durch die letzte Kommunalwahl ins Amt kamen. Die neuen RätInnen kommen aus allen Bewegungen und Parteien ohne Ansehen deren Stärke: Neues Forum, Grüne, Vereinigte Linke, Demokratischer Aufbruch, SPD, FDP und CDU.
Oben an den hell getäfelten Holzwänden triumphiert der real nie existierende Sozialismus als monumental photographiertes potemkinsches Dorf. Neben Bombenzerstörung das Licht der Befreiung, der sowjetische Panzer auf dem Podest; aufragende Neubauten, aufragender Mann der Faust. Unten um den U -förmigen Tisch die real existierenden Trümmenfrauen und -männer bei den Aufräumungsarbeiten eines zerschellten Systems. Im Bereich der Wohnungspolitik herrscht das blanke Chaos, berichtet Gisela Jacobs vom Neuen Forum. Da stehen die Rückkehrer und wollen eine Wohnung, sofort und möglichst groß. „Da muß was von oben kommen, wir brauchen eine gesetzliche Grundlage.“ Wieviel Wohnungen aber zu vergeben wären, weiß man andererseits nicht. Zur Aufklärung, wieviel 'konspirative‘ - d.h. von der Stasi gemietete - Wohnungen es gibt und wieviele Zweitwohnungen, hat Christoph Kleemann dem Bereich sieben zusätzliche Mitarbeiter zugewiesen.
Vier Kommissarische teilen sich in das Ressort des zum Rücktritt gezwungenen Schulrat Bendlin. Eine von ihnen berichtet von einem, der unter Bendlin als Lehrer eingestellten Stasileute. „Eine harte Nuß“, sagt Karin Schulze. Er will keinem Auflösungsvertrag zustimmen. Damit, daß fünf Eltern mit Unterrichtsboykott drohen, „kann der leben“, hat er gesagt.
Kleemann weist auf das menschliche Problem hin, daß so jemand eine Familie zu ernähren habe und auf das rechtliche eines gültigen Arbeitsvertrags. Er fühle sich verantwortlich für Verträge, die „in diesem Haus“ abgeschlosssen wurden. Man solle versuchen, einen geeigneten Ausweicharbeitsplatz zu finden. Vorsichtiger Widerstand von einem SPD -Kommissionär: Wenn z.B. der Direktor der Neptunwerft seine in Aussicht gestellten Entlassungen wahr mache, „dann kommt eine Welle auf uns zu bis
zum 6. Mai, die uns ersticken kann.“ Und man werde fragen, warum bringt Ihr den Stasi-Mann unter und nicht die Leute von der Werft.
Aber diesen Oberbürgermeister beeindruckt beides nicht, nicht der sozial verpackte Rachegedanke, noch die Vorstellung, den staatlichen Apparat durch Personalaustausch allein zu revolutionieren. Soziale Verantwortung, auch für den politischen Gegner Rechtsstaatlichkeit, darauf insistiert er erstmal sofort. Sanft und hartnäckig. Den Spielraum für Veränderungen bis zum 6.Mai schätzt er realistisch ein. Er ist gering. Aber nicht zu gering für die Einführung demokratischer Verkehrsformen.
An dem langen U des Ratstisches drängen sich zwischen die Bestandsaufnahme der Trümmer der SED-Herrschaft die Nachrichten über das Treiben der SED-Erbin PDS in den Betrieben. Dort, z.B. in der Neptunwerft, wo der Direktor Manchesterkapitalismus probt, spielt die PDS Rächerin der Enterbten und agitiert für Streik. „Da läuft was ganz Intensives gegen die neuen demokratischen Gruppen“, berichtet einer.
Aber die Trümmer der SED-Herrschaft liegen nicht nur draußen herum. Der Vorsitzende des Demokratischen Aufbruchs ist zur CDU übergetreten. Insider wollen wissen, daß seine Stasi-Mitarbeit kurz vor dem Auffliegen war. Jetzt will er als CDU-Vertreter in der Kommission sitzen. Kleemann toleriert das. Einer der SPD-Kommissionäre läßt die Presse wissen, daß er selber als OB in Frage kommt. Der FDP -Vertreter in der Kommission sucht jetzt umso energischer Büroraum für seine Organisation und nutzt dazu eine etwas gestreckte Amtsvollmacht. Er besichtigt Büroräume mit dem Ressort Wohnungspolitik, in dem er gar nichts zu suchen hat. Die jetzigen Benutzer sind wegen des handstreichartigen Verfahrens empört. In einem anderen Fall hat der Eifrige gleich die Schlüssel zu den begehrten Räumen eingesteckt. Kleemann spricht ein Machtwort. Ein jeder arbeite dort, wohin ihn die anderen hindelegiert haben; Amtslose sind nicht zu schocken, sondern freundlich zu behandeln; transparent machen, was man tut: „Sonst können wir hier nicht mehr zusammen arbeiten.“ Strikte Arbeitsdisziplin
Kleemann kommt mit dem kleinen Katechismus demokratischen Verhaltens auf den Anfang der Sitzung zurück. Da hatte er seine unvollzählig erschienenen RätInnen ziemlich frostig darauf hingewiesen, daß er ihre Präsenz jeden Morgen um 7 Uhr erwarte. Wer
nicht da ist, hat sich durch jemanden entschuldigen zu lassen. „Wir sind aus der SED-Zeit heraus“, sagt er jetzt, der Zeit der vermuschelten Interessen, wo das Amt zur privaten Beschaffung genutzt wurde, „wo die Partei während der Arbeitszeit ihre Sitzungen abhielt.“ Er erwarte ungeteilte Präsenz während der Arbeitszeit und Information über Abwesenheiten. Die FDP-Hand fliegt hoch: „Ich habe um 14 Uhr einen Parteitermin.“ Grinsen in der Runde. Kleemann akzeptiert den Termin für heute.
Wie er Demokratie will, hat der Pastor gegen die SED gelernt. Die, die öffentliche Ämter tragen, sollen verantwortlich sein, statt alles auf oben und außen zu schieben; fleißig, statt faul, begründend statt willkürlich, der Menschen Freund, statt ihre Zuchtrute. Wo nicht nur die SED, sondern jede und jeder Amt und Betrieb zur Beförderung privater Beschaffung nutzte, ist das eine Vorstellung, die das Beispiel zeigt's - auch in den Reihen der neuen und neuesten Parteien keineswegs selbstverständlich ist. Dieser nur im Widerstand geübte Fundamentaldemokrat hat aber eine unbeirrbare Vorstellung davon, wie sich Diktatur in Demokratie verwandeln läßt. Die Entfernung der Schleiffs und Bendlins von ihren Stühlen, das hat er selber tatkräftig mit vorangetrieben, aber das ist nur der Anfang. All die kleinen Mit- und UntertäterInnen kann man nicht versetzen, man muß die Demokratie mit ihnen machen.
Pressekonferenz
8 Uhr. Pressekonferenz: Die blonde Sekretärin schenkt Kaffee aus großer Porzellankanne ein, zuerst nur dem Amtierenden, dann die Runde runter; eine Kollegin ist da von Radio Rostock, eine von den neusten Norddeutschen Nachrichten, sonst Männer. Etliche wie Raubtier riechend, es kann auch der Alkohol der letzten Jahre sein. Eine Selbsdarstellung des Amtierenden wirkt, ehe ihm Fragen Widerpart bieten, ideen- und prinzipienverliebt. Der Kollege von der Mecklenburgischen Volkszeitung, neugegründet von SED -kritischen Rostocker Journalisten, lizensiert von der SPD, vermißt Konkretes. Er stellt eine Frage, in der das Wort „Alte Machthaber“ vorkommt. „Wollen wir das nicht rauslassen, diese Töne von den alten Machthabern. Was soll das?“ Der da ungehalten Sprachregelung anmahnt, schreibt für das „Neue Deutschland“ der alten Machthaber. In dem war der Machtwechsel im Rostocker Rathaus briefmarkengroß mitgeteilt worden. „Jeder kann schreiben, was er will“, sagt der Amtierende. „Nur: ich möchte nie ein
Machthaber sein. Mir wäre lieb, wenn man ein anderes Vokabular findet.“
Zur zentralen Frage der Gewerbeansiedlung verrät er Verfahren und Marschroute: Der Runde Tisch, ergänzt um die neugeschaffene Gewerberaumkommission, treffe auch Entscheidungen, die über den 6. Mai hinausgehen. Trotz allem Interim, regiert und entschieden wird. Nur Boden wird, mangels geetzlicher Grundlage, nicht verkauft.
Verhandlung mit Handelskammer
Neun Uhr: Im Zimmer des Oberbürgermeisters warten die neuen Mächte in Gestalt der Industrie-und Handelskammer (IHK), die gerade mit viel Unterstützung aus der Partnerstadt Bremen frisch gegründet wurde. Die Herren beanspruchen massivst zwei große Villen in der Ernst-Barlach-Straße als Sitz der IHK. Kleemann informiert: Die Ernst-Barlach-Straße ist an die Außenhandelsbank vergeben. Die Herren sind hell empört und ehrverletzt. Dem Begehr der Handelskammer gebührt „oberste Priorität“, machen sie klar, d.h. ein Platz an „repräsentativer Stelle“ so wie in Bremen oder wie im Westen. Der rabiateste der vier Herren, Betreiber einer kleine Drogerie in der Altstadt, antizipiert - wie in Bremen -: „Die Kommune lebt von der IHK. Und die repräsentiert etwas“. Er weiß zwar nicht, wann die IHK ihren Antrag gestellt hat, vermutet aber rundheraus Schmu auf der Rathausseite. Der zugezogene Stadtrat findet den Antrag in seiner Akte. Kleemann faßt den Sachverhalt zusammen: Die Entscheidung ist noch unter Schleiff gefallen, aber vom Runden Tisch ratifiziert worden. Der Amtierende bittet so gelassen wie bestimmt den Ausfälligen um Sachlichkeit, bestätigt, daß die IHK wichtig ist und repräsentativ zu bedenken und die Entscheidungen des Runden Tisches als Vertreter aller alten und neuen politischen Kräfte nicht undemokratisch zu nennen seien. Ein Jacketträger zupft den Rabiaten am Ärmel, ein anderer beeilt sich zu versichern, daß der Runde Tisch selbstverständlich akzeptiert sei und fragt, welche Raummöglichkeiten sonst noch bestehen. Der zugezogene Alt-Stadtrat („man muß ja mal bei solchen Dingen denken“) konkretisiert drei alternative Vorschläge. Die neue Ehrbarkeit rückt zufrieden ab.
So fix der neue OB durchblickt, so straff er die Verhandlungen führt, bei der nächsten Dame entgleist ihm der Zeitplan. Die Vertreterin des Demokratischen Frauenverbandes Deutschlands (DFD) kommt sich beschweren über den besichtigenden Einbruch des FDP-Kommissionärs und nutzt das zur Verteidigung der über 20 Räume ihres Zentrums. Die braucht sie alle, weil der DFD 6090 Kinder mit ihren Eltern vertritt. Das Zentrum habe nach der Wende sofort allen Frauen offen gestanden, obwohl es auch schon vorher allen Frauen offen stand.
Christoph Kleemann wagt das aus den Jahren seiner kirchlichen Erfahrung zu bezweifeln. Er setzt der massiven Unschuld auseinander, was beide wissen: Daß mietfrei wie der DFD nur die SED und ihre Organisationen behaust gewesen seien; daß der DFD die SED-Positionen jeweils ohne Abstriche vertreten habe, bis hin zur Bestätigung des Schulrats Bendlin gegen alle Beweise in der Stadtverordnetenversammlung; daß der DFD ein ganzes Stück Mitverantwortung für die Krise im Lande trage und ein bißchen Besinnung über das eigene Selbstverständnis vielleicht angebracht
sei. „Ja, wir haben Schuld auf uns geladen mit einer Entwicklung, die fehlgeleitet worden ist,“ gebetsmühlt die Dame routiniert. Und schließlich: Der Einbruch der Gewerberaumkommission in die Räume des DFD „war schlimmer als in den härtesten Zeiten des Sozialismus“.
Gewendete Täter
Kleemann geht die demokratische Metamorphose zum Daueropfer etwas rasch. Er weist, inzwischen eifriger, darauf hin, daß es vor einigen Wochen doch gerade die DFD-Vertreterinnen waren, die mit der PDS in der Stadtverordnetenversammlung mit Hohnlachen, Pfiffen und „nahezu Progromstimmung“ die Fakten vom Tisch gewischt hatten, die er, Kleemann, darauf gelegt habe.
Die Dame sieht dies dem „neuen demokratischen Verhalten geschuldet. Wir lassen uns nichts mehr vorschreiben.“ Außerdem: „Ich war überhaupt nicht dabei.“ „Aber ich,“ sagt der Oberbürgermeister und fragt, ob die aus Protest gegen die PDS-Dunkelmännerei ausgezogenen Fraktionen von Bauernpartei bis LDPD das etwa aus mangelndem neuen Demokratieverständnis getan hätten.
„Ich bitte, mir nichts zu unterstellen,“ sagt die Vertreterin aller Frauen. Das Gespräch ist zuende. Wenig später hört es auch auf. Nachdem sich der Amtierende noch für das Vorpreschen „seines“ FDP-Kommisionärs entschuldigt und der Frau versichert hat, daß für den Moment für sie kein Grund zur Beunruhigung besteht, daß er für die Zukunft aber die 2O Räume des DFD für überzogen hält. Es ist Mittag. Der Amtierende bereitet sich mit dem Stadtarchitekten und zuständigem Alt- und Neu-Stadtrat auf den Besuch des Oberbürgermeisters von Kiel vor, der noch mit dem Vorgänger verabredet worden war. Man stimmt sich ab über das Angebot eines viele zehntausend Quadratmeter beanspruchenden Verbrauchermarktes, den ein Betreiber im Schlepptau des Kieler OB bauen will. Während der alte Stadtrat völlig fasziniert ist von den geplanten „Ausmaßen“, reihen OB und Stadtarchitekt das Angebot neben 4OO weiteren Vorliegenden zur wohlwollenden Prüfung ein.
Draußen vor dem Rathaus machen wildparkende westdeutsche Caravans dem erwarteten Kieler OB das Parken unmöglich. Die von Kleeman um Hilfe gebetene Volkspolizei mauert, nach einer halben Stunde erscheinen immerhin Motorradfahrer, die den Parkstreifen im Auftrag des Verkehrsstadtrates räumen. Zur gleichen Zeit erscheint im Vorzimmer des Amtierenden der 25. Einzelfall an diesem Morgen, der in seiner Verzweilflung den direkten Weg zu diesem neuen Oberbürgermeister angetreten hat. Er will nicht mehr in seinem Wohnwagen wohnen, ist hochgradig verstört, behindert und aufgeregt. Er droht der Sekretärin, die inständig hofft, daß der erwartete hohe Besuch nicht gerade jetzt hineinplatzt, mit der Krücke und kündigt schriftlich seinen unbegrenzten Hungerstreik an. Der Amtierende hat darauf verzichtet, „solche Leute“ mit der Polizei rauszuschaffen. Er wird am nächsten Morgen eine Mitarbeiterin aus der Kommission zu ihm schicken.
Am Abend, als das Neue Forum unter anderem auch Christoph Kleemann als Kandidaten für die Kommunalwahl aufstellt, beantwortet er die bange Frage: „Machst Du weiter?“ - „Es klingt zwar albern“, sagt er, „aber es macht mir sogar Spaß. Ich habe das Gefühl, ein bißchen was zu bewegen.“
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