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Weiblicher Blick auf den Schmutz

 ■ S T A N D B I L D

(NOVA, Nachrichtenmagazin von Frauen, Fr., 3Sat) Gibt es ihn überhaupt, den bestimmten Blick von Frauen auf Themen. An Theorien und Diskussionen darüber hat es seit den Anfängen der neuen Frauenbewegung nicht gefehlt. Aber allzu oft stand die Auseinandersetzung mit den von Männern geschaffenen Frauenbildern im Vordergrund, Abgrenzung und die eher rückwärtsgewandte Sichtbarmachtung der verborgenen Geschichte(n) von Frauen verhinderten die Eroberung neuen Terrains. Erst in letzter Zeit scheint diese als Voraussetzung notwendige „Basisarbeit“ zu einem gewissen Abschluß gelangt zu sein, beginnen Frauen auch innerhalb der von Männern dominierten Institutionen ihre eigene Wahrnehmung zu behaupten. Es ist dieser gesellschaftliche Kontext, in dem Nova auf die Frage nach dem „weiblichen Blick“ neu stellt, und zwar durch Erprobung in der Praxis. Der Ansatz ist bewußt subjektiv und verspricht ein anderes Verständnis der Begriffe „sachlich“ und „informativ“. Im Gegensatz sowoh zu herkömmlichen Nachrichten- als auch zu Magazinsendungen vermischt Nova Dokumentarisches und Inszeniertes, Genrehaftes und Essayistisches, Interview und Kommentar. So soll möglich werden, scheinbar disperate Apsekte eines Themas miteinander zu verbinden, auch Lücken zuzulassen, zu assoziieren und selbst zu denken. In der letzten Sendung ging es um „Schmutz“. Für die alltägliche Beseitigung „im Kleinen“ sind immer noch in erster Linie Frauen zuständig. Daß Schmutz aber längst nicht mehr nur mit Händen zu greifen ist, davon handelte ein Beitrag von Bettina Wörnle. Sie kam mit einer provokanten Frage gleich auf den Kern: „Müll stinkt nicht - oder riechen Sie was?“ und zeigte eine spielerische Übung umweltbewußten Verhaltens: Kasperletheater. Jetzt schreinen Kinder nicht mehr über den im Wald lauernden Räuber, sondern über den Müll auf der Straße. Aus der „guten alten Zeit“ bleibt lediglich der harmlos dumme Wachtmeister, der - so die Assoziation in Gestalt der neugeschaffenen Frankfurter Umweltpolizei auch schon immer auf verlorenem Posten steht. Einer mitunter wirksamen Möglichkeit, Umweltkriminalität zu verhindern, ging Ingrid Hessedenz nach. Sie hat festgestellt, daß zwei Drittel aller Greenpeace -MitarbeiterInnen Frauen sind. Indem sie zeigt, wie die Aktivistinnen die Techniken zu spektakulären Aktionen präzise erlernen, zerstreut sie den Mythos, das alle Greenpeace-MitarbeiterInnen geborene Helden sein müßten. Auch dem unsichtbaren Schmutz rückten die Nova-Frauen zu Leibe. Nach den Nachrichten mit aktuellen Meldungen rund um das Thema Umweltverschmutzung notierten drei kurze Spots von Angelika Andres die Auffasung von Schmutz, Sauberkeit und Ordnung in der Sprache unserer PolitikerInnen. Schwarzweiß, unten-oben, dreckig-sauber - als seien diese Worte Zauberformeln im Kampf gegen das jeweils Unerwünschte. Bliebe zu fragen, ob Frauen wirklich weiter schrubben, waschen, reinemachen müssen. Weiße Windeln, weiße Wäsche, weiße Hochzeit - von der Wiege bis zur Bahre? Wie eine Farbe das Leben der Frauen durchziehen kann, arbeitete Leonore Poth in einem Zeichentrickfilm weiß auf schwarz heraus. Mit einzelnen Bildern brachte sie die Verhältnisse zum Hüpfen, und das bot denn schließlich etwas Komisches. „Die Welt weiblich zusammensetzen“ - titelte die 'Süddeutsche‘ zur Nova-Premiere im Oktober. Doch gilt es nicht zuvor, sie in ihre Einzelteile zu zerlegen - in Nova 3, 4, 5, 6, 7...?

Claudia Tronnier

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