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Rechtsradikale Randale in Ost-Berlin

Mehrere Verletzte und Festnahmen nach Ausschreitungen von Skinheads in der DDR-Hauptstadt / Volkspolizei räumte den Alexanderplatz / Westberliner Demonstranten am Grenzübertritt nach Ost-Berlin gehindert / Straßenschlacht in Kreuzberg / Verletzte und Festnahmen  ■  Von M. Habersetzer u. P. Plarre

Berlin (taz) - Zu schweren Auseinandersetzungen zwischen rechtsradikalen Skinheads und der Volkspolizei ist es in der Nacht zum Samstag in Ost-Berlin gekommen. Von den Meldungen aufgeschreckt, versuchten daraufhin mehrere hundert Westberliner die innerstädtische Grenze zu überschreiten, um die Rechtsradikalen zu vertreiben. Nachdem das von Polizei und Grenztruppen verhindert worden war, kam es in Berlin -Kreuzberg zu Straßenschlachten mit der Polizei.

Nach einem Fußballspiel zwischen dem FC Berlin und dem FC Hansa Rostock versammelten sich am Freitag abend mehrere hundert Fußballfans, darunter mehrheitlich rechtsradikale Skinheads auf dem Berliner Alexanderplatz und attackierten dort Passanten und Volkspolizei mit Stein- und Flaschenwürfen. Faschistische Parolen wie „Sieg Heil“ und „Türken und Rote aufklatschen“ wurden gerufen. Zusätzlich aufgeputscht aus Anlaß des 101. „Führer„-Geburtstages zerschlugen mehrere „Glatzen“ die Scheiben einer Schwulen -Bar, verwüsteten das Interieur und griffen Gäste mit Messern und Schlagstöcken an.

Über die genaue Zahl der Verletzten herrschte gestern noch Unklarheit. Polizeiangaben zufolge wurden vier Polizisten leicht und drei Passanten schwer verletzt. Augenzeugen dagegen berichten von mindestens zehn Schwerverletzten. Insgesamt 30 Personen wurden von der Volkspolizei festgenommen.

Direkt im Anschluß an das Spiel versammelten sich die Bomberjacken zunächst vor einem seit Januar besetzten Haus an der Schönhauser Allee. Doch die Schlappe war vorprogrammiert: Bereits am frühen Nachmittag hatten sich die BesetzerInnen bis in den ersten Stock hinauf mit Holzlatten und Stahlgittern verbarrikadiert, rund 200 Volkspolizisten gewährten zusätzlichen Schutz: Den Skinheads blieb nur ein hilfloses „Wartet nur ab, am 1. Mai kriegen wir euch!“, dann zogen sie „happy birthday„-gröhlend in Richtung Innenstadt. Am „Alex“ kam es dann zu den Auseinandersetzungen zwischen etwa 600 Volkspolizisten und den herumpöbelnden Skinheads, die schließlich eingekesselt und vom Platz geräumt wurden. Augenzeugen berichteten außerdem von Auseinandersetzungen im benachbarten Nikolai -Viertel. Die Nachricht von den Ausschreitungen in Ost -Berlin rief am Abend in West-Berlin rund 300 in der Mehrzahl jugendliche Ausländer auf den Plan, die in einer spontanen Demonstration Richtung Grenze aufbrachen, um dem Treiben der Rechten ein Ende zu bereiten. Nach einem zehn Kilometer langen Fußmarsch nach Kreuzberg wurden sie am Grenzübergang Oberbaumbrücke von der DDR-Volkspolizei aufgehalten. Ein starkes Westberliner Polizeiaufgebot trieb die Menge in Seitenstraßen, wobei die ersten Steine flogen. In der Nacht folgte eine Straßenschlacht. Zwei Supermärkte und eine Tankstelle wurden geplündert, bei mehreren kleinen Läden die Scheiben eingeworfen. Im Verlaufe der Nacht wurden 27 Personen festgenommen, darunter 17 Ausländer und zwei DDR -Bürger. 17 Personen wurden dem Haftrichter vorgeführt, nach Angaben eines Justizsprechers aber wieder entlassen, weil es für ihre angebliche Beteiligung an den Plünderungen keine unmittelbaren Augenzeugen gab. Die Polizei vermeldet 41 Verletzte, von denen aber nur drei ambulant im Krankenhaus behandelt werden mußten. Ausführliche Berichte im Lokalteil

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