: Schritt ins Paradies
■ Der AC Mailand holt sich in Verona vier rote Karten und eine Niederlage: Neapel fehlt ein Punkt zur Meisterschaft
Geschichte wiederholt sich doch. Endlich mal nach langem die Gelegenheit, einen Artikel mit diesem Satz anzufangen, weil: nach 6.177 Tagen verspielte der AC Milan die italienische Meisterschaft erneut in Verona; ziemlich wahrscheinlich jedenfalls. 5:3 hieß es damals am Ende, an jenem denkwürdigen 20. Mai 1973. 2:1 hieß es am Sonntag, und da Neapel gleichzeitig aus Bologna einen 4:2-Erfolg mit nach Hause nahm, führt der SSC vor dem letzten Spieltag mit zwei Punkten.
Aber nicht nur an das Ergebnis wird man sich wohl länger erinnern, vor allem die dreißig Minuten zwischen 16.45 und 17.15 Uhr werden noch viele Debatten bei Wein oder Espresso anheizen; dreißig Minuten, die für den 'Corriere della Sera‘ „zur schwärzesten halben Stunde der Mailänder Geschichte in der Ära Berlusconi“ wurden: Zuerst betrat Ruud Gullit den Rasen, erstmals wieder seit dem 31. Mai vergangenen Jahres und einer langwierigen Knieverletzung, wenige Sekunden später wurde Trainer Arrigo Sacchi vom Platz gewiesen, es folgte die rote Karte für Frank Rijkaard, dieselbe für Marco van Basten, eine Minute vor Abpfiff fiel der Veroneser Siegtreffer, im anschließenden Tumult flog auch Costacurta vom Feld.
Es war der große Auftritt von Rosario Lo Bello, dem Schiedsrichter, der den AC Mailand gleich um vier Figuren dezimierte. Und natürlich blieb die Polemik nicht aus. Kommt Lo Bello nicht aus Sizilien und ist damit dem Konkurrenten aus Neapel sehr viel näher als den versnobten Norditalienern? Wer weiß, aber die Platzverweise hatten durchaus ihre Gründe: Sacchi - Intervention im Spielfeld; Rijkaard - zweimal gelb hintereinander; van Basten - Werfen eines Kleidungsstücks nach Freistoßpfiff zu Gunsten von Verona; Costacurta - Protest gegen den Linienrichter, weil die Entscheidung aus Abseitsstellung erzielt sein soll.
Aber da war schon alles klar, und der 'Corriere‘ - immerhin ein Mailänder Blatt - glaubt nicht an die Legende der großen Konspiration: „Milan hat sich selbst geschlagen, weil körperliche Müdigkeit und Nervosität zusammenkamen.“ Der SSC Neapel hingegen, ohne die Belastung eines Europacupspieles, hatte schon nach einer Viertelstunde alles klar gemacht: Careca (3.), Maradona (8.) und Francini (15.) sorgten für ein schnelles 0:3, auch sonst waren die beiden Gastarbeiter in bester Spiellaune (Alemao, der Brasilianer, machte das vierte Tor). War das schon „der Schritt ins Paradies“ ('Corriere‘)? Am kommenden Sonntag erwartet der SSC zuhause Lazio Rom, Häßlers künftigen Verein, und vor eigenem Publikum hat die Mannschaft noch nie verloren.
Es genügt ja ein Unentschieden, und Lazio hat weder Abstiegssorgen noch besondere Ambitionen - ebenso wie Bologna. Verona indes, vor wenigen Jahren noch Meister mit Hilfe der Bullen Briegel und Elkjaer, kämpfte als Drittletzter um den Verbleib in der Serie A. Pech für den AC Mailand, dessen Besitzer Berlusconi sich zu einem „Evviva il calcio“ durchrang - der Fußball lebt. Derweil herrschte im Umkleideraum seines Teams „Stille wie in einem Grab“ ('Corriere‘).
-thöm
Ascoli - Lecce 0:2, Bergamo - Genua 1:0, Bari - Cremonese 2:0, Bologna - Neapel 2:4, Inter - Florenz 2:0, Juventus Udinese 0:0, Sampdoria - Cesena 0:0, Verona - AC Milan 2:1; Tabelle: 1. Neapel: 49 Punkte, AC Milan: 47, Inter: 43, Juventus: 42
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