: Jugendkultur: Zwischen Ball und Behörde
■ Gespräch mit Lutz Garjewski vom Jugendclub des Bremer Theaters und Wilma Knigge, jugendliche Diskutantin
taz: „Jugendkultur: Zwischen Resignation und Utopie“ - Wer hat sich dieses Motto ausgedacht?
Lutz Garjewski: Ich hab‘ das Motto erst auf dem Spielplan der Shakespeare-Company gelesen. Da stand sogar noch als Unterzeile: „No future? - Nein danke!“, die hätt‘ ich nicht gewählt.
Warum nicht?
Das sind typische Schlagworte, von denen Erwachsene denken, daß sie sich jugendlich anhören. Dabei sind sie absolut nichtssagend. „Zwischen Resignation und Utopie“, damit kann ich schon eher was anfangen.
Wo resignierst Du denn im kulturellen Bereich?
Wilma Knigge: In Lilienthal haben wir von der Schülervertretung zum Beispiel vorgeschlagen, eine Projektwoche zu machen, in der wirklich mal die Schüler sagen können, was sie machen möchten, also Theater, Musik usw. Sonst laufen doch nur Projekte, die eigentlich verlängerter Unterricht sind und uns sowieso nicht interessieren. Es wurde einfach nicht genehmigt. Die Schulleitung in Lilienthal hat gemeint, wir würden dabei bloß wichtigen Stoff verpassen, das sei ja nur 'ne Spaßwoche.
Lutz: Mir ist es ähnlich mit dem „Schnürsenkeltheater“ gegangen: Wir wollten mit 'nem Probenraum und 'nem bißchen Geld für Requisiten vom Senator Jugend und vom Kultursenator unterstützt werden. Unser Antrag ist abgelehnt worden, weil wir erst mal 'ne Produktion gemacht haben müßten. Und das ist natürlich idiotisch, weil wir als eine Gruppe von Jugendlichen ja noch nichts gemacht haben können und erst mal anfangen müssen.
Ist das typisch?
Lutz: Das ist immer so: Wenn es funktioniert, dann sagt man: „Toll, unsere Jugendlichen!“, man wird damit zur Vorzeigesache, aber wenn man Forderungen stellt und noch gar nichts vorzu
zeigen hat, wird man gar nicht ernstgenommen. Genauso wie Jugendgruppen außerhalb von Kulturzentren: sowas gibt's doch kaum. Dafür gibt's ne Menge institutionalisierter Grüppchen, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben.
War die Veranstaltung dafür nicht auch ein Beispiel: Es fiel doch auf, daß fast nur Jugendliche, die Theater machen, da waren.
Lutz:Ich wollte schon mehr Bereiche angesprochen haben, zum Beispiel auch Musik und Malerei, aber es stimmt schon: da kenn‘ ich wenig Leute und hab deshalb auch nicht immer einen Ansprechpartner gefunden, den ich hätte einladen können.
Waren nur deshalb so wenig Jugendliche auf der Matinee?
Lutz: Die meisten Jugendlichen haben halt die Erfahrung gemacht, daß sie eh nicht gefragt werden. Und dann sind die wenigsten Jugendlichen ja tatsächlich in Kulturprojekten engagiert.
Wilma: Für die meisten ist das Machen wichtiger: entweder machen sie Kultur oder nicht, dafür brauchen sie keine Laberstunde.
Wart ihr denn gar nicht enttäuscht, daß nur so wenig zum Reden gekommen sind?
Lutz: Anfangs schon, aber dann ist es doch gut gelaufen. Wir haben uns wirklich ausgetauscht und es ging nicht nur um Geld und Stellen, wie es oft der Fall ist: Die
Leute gehen nach Hause, nachdem sie einig drei Stellen und 50.000 Mark gefordert haben, und was sollen sie weiter darüber nachdenken? Entweder kriegen sie's oder nicht.
Was war auf der Veranstaltung zur Jugendpolitik denn anders?
Lutz: Wenn zum Beispiel Kurdische und Deutsche Jugendliche wie auf der Veranstaltung gemeinsam Folkloretänze vorfüh
ren, dann ist das schon sichtbare Utopie: Multikulturell ohne große Konferenzen. Und dann waren wir uns ja auch einig, die Cliquenwirtschaft hier aufzulösen, damit dieses Denken und Machen in Grüppchen mal aufhört. Es sind sogar schon Kontakte zwischen dem Jugendclub und dem Werder Fan -Projekt geknüpft worden. Vielleicht spielen wir ja bald mal im Stadion Theater
oder die kommen mal zu uns und spielen im Concordia Fußball...
Ganz zufrieden?
Wilma: Etwas hätte noch mehr beredet werden müssen: diese sogenannten Berufsjugendlichen, die immer genau wissen wollen, was Jugendliche wollen. Das passiert einfach so oft: daß die Jugendkultur von Erwachsenen kommt und wir dabei völlig unter den Tisch fallen.
Fragen: ecw
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