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Bushs Geduld mit Gorbatschow

Der US-Präsident George Bush scheint die angekündigten Wirtschaftssanktionen gegen die Sowjetunion noch einmal verschieben zu wollen / Kein US-Einreisevisum für Litauens Ministerpräsidentin Prunskiene  ■  Aus Washington Rolf Paasch

Die US-Administration hat der litauischen Ministerpräsidentin Prunskiene ein Einreisevisum verweigert und sie auf die Zeit nach dem US-sowjetischen Gipfeltreffen Ende Mai vertröstet. Dies behauptete sie am Montag. Damit will Washington klarstellen, daß die Beziehungen zu Moskau Vorrang gegenüber dem litauischen Unabhängigkeitsstreben haben.

„Sanktiönchen“ oder gar keine Reaktion - dies ist die Frage, mit der sich Bush seit dem Wirtschaftsembargo der Sowjetunion gegenüber Litauen herumplagt. Hatte es am Montag abend in Washington noch so ausgesehen, als werde George Bush am Dienstag eine Reihe symbolischer Sanktionen gegen die UdSSR wegen deren Haltung im Litauen-Konflikt ankündigen, scheint er es sich nach Konsultationen mit Mitgliedern des Nationalen Sicherheitsrats und Wirtschaftsexperten am Dienstag noch einmal anders überlegt zu haben. Bis Redaktionsschluß gab es keine Erklärung des Präsidenten über die diskutierte Verzögerung verschiedener Wirtschaftsverhandlungen mit der Sowjetunion.

Meinungsumfragen hatten ergeben, daß rund zwei Drittel aller Amerikaner mehr an einer Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zu Moskau interessiert sind, als an einer Anerkennung einer unabhängigen Republik Litauen. Lediglich die wenig einflußreiche Lobby der Amerikaner litauischer Abstammung sowie ein Teil der republikanischen Rechten hat bislang von Bush energischeres Vorgehen gegenüber der Sowjetunion gefordert. Aus dem Kongreß ist dagegen weniger Kritik an der toleranten Haltung der Administration gegenüber Gorbatschow zu hören, als Bush dies wohl selber erwartet hatte.

Der Sprecher des sowjetischen Außenministeriums, Vadim Perfiliew, sagte, US-Sanktionen „könnten direkt oder indirekt den Nationalisten zu einem Sieg verhelfen“. Perfiliew forderte die USA zu einer gemäßigten Haltung auf. Die Zurückhaltung der EG sei in der UdSSR nicht unbeachtet geblieben.

Nach einem Bericht des 'Guardian'-Korrespondenten Jonathan Steele ist die Versorgungslage mit Lebensmitteln in Vilnius nach wie vor gesichert. Es gebe mehr zu kaufen als in Moskau. Der litauische Präsident Landsbergis warnte hingegen vor einer möglichen Lebensmittelrationierung infolge des sowjetischen Embargos.

Wie Radio Tallinn mitteilte, ist jetzt auch in Lettland und Estland das Benzin rationiert worden. Private Autofahrer erhielten an Tankstellen in Lettland nur noch jeweils zehn Liter, in Estland 40 Liter Benzin, hieß es.

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