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Zweimal DDR wird an Italiener verkauft

Argentinische Regierung vereinbart mit Italien Verkauf von 20 Millionen Hektar Ackerland / Landbewegung gegen Ausverkauf / Verteilung an Landlose gefordert  ■  Aus Buenos Aires Gaby Weber

Nun wird auch Italien neuen Lebensraum bekommen. Und wenn alles nach Plan verläuft, wird der südliche EG-Partner die Bundesrepublik bei weitem in den Schatten stellen. Zwischen der argentinischen und seiner Regierung sei vereinbart worden, verkündete der römische Unterstaatssekretär für Landwirtschaft, Romeo Ricciuti, nach seiner Rückkehr aus Buenos Aires, an italienische Geldgeber insgesamt 20 Millionen Hektar bestes Ackerland zu veräußern. 20 Millionen Hektar sind 200.000 Quadratkilometer, das entspricht etwa acht Prozent des argentinischen Staatsgebietes und fast der doppelten Fläche der DDR (108.000 qkm).

Für die römischen Investoren wird es der Jahrhundertcoup: weniger kostenintensiv und wesentlich lukrativer als das, was die Bonner derzeit jenseits der Elbe mit den Brüdern und Schwestern vorspielen.

Die Vorbereitungen für das große Geschäft haben bereits begonnen, klagt Mario Chavidoni. Der Generalsekretär der „Landbewegung in der Region der Pampa“ (MARP), in der sich Kleinbauern und Landarbeiter zusammengeschlossen haben, will „den Ausverkauf der Heimat an das Auslandskapital verhindern“. Der Grund und Boden müsse statt dessen an landlose Bauern, Arbeiter und junge Leute verteilt werden, die seit vielen Jahren bei den Behörden um einen Fleck Erde betteln, um sich im krisengeschüttelten Land eine Existenzgrundlage aufzubauen. Der größte Teil des zu verkaufenden Geländes, so der MARP-Chef, befinde sich in Grenzgebieten, in der Nähe der Nationalparks und in Patagonien. Chavidoni hat jetzt erste Gespräche mit sozialen Bewegungen und Politikern aufgenommen, um ein breites Bündnis gegen den geplanten Deal auf die Beine zu stellen.

Die allmächtige Sociedad Rural, traditionelles Sprachrohr der Oligarchie, hat sich zu dem geplanten Landverkauf an die Italiener noch nicht geäußert. Sie ist vollauf mit ihrem neuen Modell der exportorientierten Landwirtschaft beschäftigt. Die kommende Getreideernte, so haben die Großgrundbesitzer großspurig angekündigt, soll 49 Prozent über dem Vorjahr liegen, 50 Millionen Tonnen. Für diesen neuen Exportrekord wollen sie die derzeitige Anbaufläche von 16,6 auf 24 Millionen Hektar erweitern.

Die argentinische Erde ist fruchtbar wie keine andere auf der Welt, die Humusschicht ist nicht, wie in Europa, 30 Zentimeter, sondern zwei Meter stark. Argentinien könnte die Speisekammer der Welt sein, statt nur den Stoff für italienische Spaghettis zu liefern. Nach den jüngst veröffentlichten Statistiken der Regierung in Buenos Aires können jedoch von 30 Millionen Argentiniern ein Drittel ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen; ohne Armenspeisungen und Hilfsprogramme verhungern sie.

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