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Knast: „Urlaubssperre für jeden Scheiß“

■ Gefangene beklagen sich über Bremer Praxis / Diskussion im Knast: Zuständiger Senator blieb weg

Das Gelände besteht ohnehin aus nichts anderem als verschlossenen Türen. Doch der Knast in Oslebshausen hat jetzt noch eine verschlosssene Tür dazubekommen. Die Gefangenen klagen über verweigerte Lockerungen und Urlaub. Nur die Hälfte aller Lockerungsanträge wird von den Abteilungsleitern genehmigt. Um die verweigerte andere Hälfte ging es in einer Diskussion, zu der die Redaktion der knastinternen Zeitung Diskus Ende letzter Woche eingeladen hatte.

Eine Diskussion an der die po

litisch Verantwortlichen offensichtlich kein Interesse haben: Weder der Senator für Justiz, noch die Parteien hatten VertreterInnen nach Oslebs geschickt, und so mußten Gefangene, Anwälte, Rechtsberatung, Strafvollstreckungskammer und die Abteilungsleiter alleine diskutieren.

Nichteignungsverordnung (NEV) heißt im Bürokratendeutsch, was den Gefangenen hinter Gittern das Leben zusätzlich erschwert. Die NEV ist Resultat einer Allgemeinen Verfügung des Senators aus dem Jahre

1986 und erklärt einen Gefangenen für maximal 12 Monate als ungeeignet für Haftlockerung, Ausgang, Urlaub. „Die Anstalt verhängt eine NEV bei vormaligem Mißbrauch einer Lockerung, bei Gefahr von weiteren Straftaten oder Flucht“, so Abteilungsleiter Reinhard Peter. Soll heißen: Wenn einmal ein Urlaub oder Ausgang mißbraucht wurde, ist erst mal der Ofen aus.

Für die Gefangene stellt sich dagegen die Praxis anders und willkürlich dar. Mangelnde Arbeitsleistung, verweigerte Urin

proben, 2 Gramm Haschisch in der Zelle schon sieht die Anstaltsleitung genügend Anlaß Vollzugslockerungen einzuschränken. „NEV gibt es für jeden Scheiß“, sagt ein Bertroffener. Folge: Die Frustration über das Rechtssystem nimmt im Knast noch zu. „Urlaub ist zu einem Erpressungsmittel geworden“, meint ein Gefangener. Und: „Wer einmal neun Monate NEV hat, der strengt sich nicht mehr an, der setzt sich die Nadel auf dem Gang, denn es gibt ja kein weiteres Druckmittel mehr.“ Zudem ist an vorzeitige Entlassung dann kaum mehr zu denken.

Ob ein Gefangener für Urlaub oder Ausgang geeignet ist oder nicht entscheidet das persönliche Ermessen des Abteilungsleiters. Abteilungsleiter Nagel glaubt mit der NEV „in guten Schuhen“ und freut sich über weniger Verwaltungsarbeit. Dagegen sprachen die anwesenden Anwälte von unzulässiger Urlaubssperre und unrechtmäßigen Disziplinarmaßnahmen. Anwalt Baisch beispielsweise urteilt: „Eine Urlaubssperre ist laut

Oberlandesgerichtsurteil rechtswidrig. Sie haben mit der NEV etwas erfunden, womit sie die Disziplinarmaßnahme umgehen können. Die darf aber höchstens drei Monate dauern.“

„Wie soll ich den Kontakt zu meiner Frau aufrechterhalten, wenn ich 12 Monate nicht heim darf?“, beschrieb ein Gefangener Konsequenzen der Urlaubssperre. „Das brüchige Haus an sozialen Bindungen das draußen steht, bricht ohne Urlaub zusammen“.

Rechtsanwalt Baisch, erfolgreicher Mit-Anfechter der Urlaubssperre, denkt daran, auch die Senatsverfügung - die letztendlich für die Praxis der NEV verantwortlich ist einmal anzufechten. Und auch Abteilungsleiter Reinhard Peter hielt letztlich Änderungen für denkbar und kündigte Überlegungen des Senators an, die Allgemeine Verfügung von 1986 zu überarbeiten.

Hoffnungen aber sind für die Gefangenen jetzt nicht erlaubt. „Das können wir nicht abwarten. Wir sitzen schließlich jetzt hier drin.“

Ina Krauß

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